Eselsmilch
Elke. »Und nehmt in den kommenden Tagen immer
dasselbe Zelt. Dann kann es keine Streitereien darüber geben, ob ihr es
schmutzig oder sauber hinterlassen habt.«
Fanni
band eine gelbe Reepschnur an den Zeltsack, damit sie und Sprudel nicht jedes
Mal nach der Nummer fahnden mussten, die an versteckter Stelle und nur schwer
leserlich aufgemalt war.
»Hundert
Meter weiter unten gibt es Handyempfang«, sagte Sprudel. Er kam vom Küchenzelt
zurück, wo er Hassan, der dem Koch bei der Zubereitung des Abendessens zur Hand
ging, danach gefragt hatte.
Fannis
Handy steckte bereits in ihrer Hosentasche.
Gut
hundert Höhenmeter weiter talwärts verlief eine relativ breite Fahrstraße, es
gab Strommasten, es gab Mobilfunkempfang. Und dort, wo die Straße den Weg von
den Bergen her kreuzte, befand sich ein Picknickplatz mit Feuerstellen und
runden, grob aus Holz gezimmerten Gestellen, die aussahen wie Hocker.
Sprudel
steuerte darauf zu. Der Platz wirkte ausgestorben, schien schon lange nicht
mehr benutzt worden zu sein. Sprudel fegte trockene Blätter und Grashalme, die
der Wind überall verstreut hatte, von zwei Hockern, sodass sie sich hinsetzen
konnten.
Obwohl
sich die Sitzgelegenheit als wenig komfortabel erwies, war Fanni dankbar dafür.
Ihr Knöchel pochte und verlangte nach Ruhe. Sie streckte das Bein aus und legte
den Fuß auf einen leeren Fünfliterkanister, der ihr von all dem Abfall und
sonstigen Plastikteilen, die überall herumlagen, das geeignetste Objekt dafür
erschien.
Während
sie, nachdem sie die PIN -Nummer eingegeben hatte, auf das » OK « wartete,
warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Achtzehn Uhr, das bedeutete sechzehn
Uhr in Deutschland.
Ob
Leni um diese Zeit schon zu Hause ist?
Fanni
hoffte es. Sie wollte ihre Tochter nur ungern bei der Arbeit im Labor stören,
wo die Versuchsreihen ihre ganze Aufmerksamkeit forderten.
Leni
meldete sich nach dem zweiten Klingelton. Ihre Stimme hörte sich genauso an wie
bei einem Gespräch von Erlenweiler aus.
Oder
von Levanto! Das ist doch heutzutage kein Thema mehr! Von Vancouver nach
Timbuktu telefonierst du genauso unproblematisch wie von München nach Erding!
Fanni
presste die freie Hand auf die Stirn, um die – wie ihr schien – immer
zügelloser und weitschweifiger quasselnde Gedankenstimme zum Schweigen zu
bringen.
»Alles
in Ordnung zu Hause?«, fragte sie ihre Tochter. »Bei dir? Bei Leo? Bei Vera und
den Kindern?«
Leni
antwortete mit drei knappen »Ja«, so als ob sie ahnte, dass Fannis Anruf einen
weiteren, viel brisanteren Grund hatte, als sich nach dem Wohlergehen der
Familie zu erkundigen.
Das
ist ja wohl nicht schwer zu erahnen! Du rufst doch sonst nie an, wenn du auf
Reisen bist! Gehst einfach davon aus, dass man dich schon informieren wird,
falls was geschieht!
»Ich
möchte dich um etwas bitten, Leni«, sagte Fanni.
Als
sie wenige Minuten später auf die rote Taste ihres Mobiltelefons drückte, besaß
sie Lenis Versprechen, Erkundigungen über Melanie Fuchs, Bernd Freise und die
Brügges anzustellen.
Über
den Grund für ihr Anliegen hatte Fanni ihre Tochter nicht direkt belogen, das
hätte sie niemals getan. Sie hatte ihr ausführlich von Marthas tödlichem Unfall
erzählt, es allerdings so hingestellt, als wolle sie einfach nur sichergehen,
dass keiner dabei nachgeholfen hatte. Begreiflicherweise hatte aber selbst die
halbe Wahrheit Leni in Aufruhr versetzt, und Fanni hatte sich ziemlich ins
Zeug legen müssen, ihrer Tochter die ganze Ermittlung als mehr oder weniger
akademisch zu verkaufen.
»Es
wurde von den Behörden offiziell bestätigt, dass es ein Unfall war. Aber mich
würde es halt einfach beruhigen zu wissen, dass niemand aus der Reisegruppe
eine alte Rechnung mit Martha zu begleichen hatte.« Was ihr selbst widerfahren
war und welche Schlüsse sich daraus ziehen ließen, hatte Fanni mit keinem Wort
erwähnt, obwohl ihr durchaus bewusst war, wie sehr sie den Erfolg von Lenis
Ermittlungsarbeit damit einschränkte.
Sinnlos
machst du ihre ganze Mühe! Lenis Nachforschungen sind doch völlig nutzlos, wenn
sie sich nur auf Martha beziehen!
Nein,
dachte Fanni, gar nicht.
Und
zum x-ten Mal, seit sie sich dazu entschlossen hatte, Leni um Recherchen zu
bitten, begann sie zu überlegen, wie Leni vorgehen würde – vorgehen
konnte.
Da
sagte Sprudel: »Leni wird in die falsche Richtung ermitteln.«
Fanni
schüttelte den Kopf. »Es gibt ja nur eine. Leni muss, so weit möglich, den
Lebenslauf der Personen
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