Eselsmilch
nachdem das Dorf Aroumd in Sicht
gekommen war, musste Fanni wohl oder übel in die Realität zurückkehren.
Bereits
beim Abstieg von den Hängen des Passes Tizi Mzik hatte Elke auf eine hübsch
renovierte Kasbah im tiefer gelegenen Teil des Dorfes hingewiesen und erklärt,
dass sie zu einem Nobelhotel unter französischer Führung umgebaut worden war.
Sprudel
hatte den Arm um Fanni gelegt und ihr zugeflüstert: »Gleich nach dem
Mittagessen in der Gîte fragen wir dort nach einem Netzzugang. So ein nobles
Hotel muss doch für seine Gäste Internet bereitstellen. Und gegen Bezahlung
werden wir es ja wohl benutzen können.«
Fanni
hatte ihm zugestimmt. Ja, so schnell wie möglich würden sie sich mit Leni in
Verbindung setzen. Binnen Kurzem würden sie erfahren, was sie herausgefunden
hatte.
Weil
jedoch die Mulis nur wenige Minuten vor der Gruppe eingetroffen waren und noch
abgeladen werden mussten; weil der Koch deswegen eine Zeit lang auf das
Kochgeschirr und den Proviant zu warten hatte, bevor er mit den Vorbereitungen
fürs Mittagessen (das in der Gîte zubereitet werden sollte) anfangen konnte,
mussten sich Fanni und Sprudel noch etwas gedulden.
Sie
hatten ein sehr einfaches kleines Zimmer zugewiesen bekommen. Aber – und
das hatte Fanni erleichtert aufatmen lassen – sie mussten es mit niemandem
teilen.
Fanni
machte das Fenster zu und schaute nach, ob das Türschloss richtig eingerastet
war. Dann legte sie sich neben Sprudel auf die Matratze. Sie wollte die
ungeplante Ruhepause nutzen, um sich mit ihm darüber zu unterhalten, was bei
den Gesprächen, die sie unterwegs mit diesem und jenem aus der Reisegruppe
geführt hatte, ans Licht gekommen war. In den vergangenen drei Tagen hatten die
beiden kein Wort über Verdächtige, über Tatmotive oder Ermittlungsarbeit
miteinander gewechselt, denn die Stunden, die sie allein an Berghängen
verbracht hatten, waren der Trauer um Martha vorbehalten gewesen.
Sprudel
legte das Heft mit dem Reiseprogramm, in dem er soeben nachgesehen hatte, wo
sie die nächste Nacht verbringen würden – Gîte oder Zelt –, beiseite
und sagte mit gedämpfter Stimme: »Habe ich das gestern richtig verstanden,
Dieter Horn und Hubert Seeger haben ihren Wehrdienst zur selben Zeit im
gleichen Bataillon abgeleistet?«
Fanni
angelte nach Sprudels Fleecejacke und deckte sie beide damit zu. »Ja, Dieter
hat es erwähnt. Die zwei waren Ende der Siebziger in der Bayerwaldkaserne in
Regen stationiert.«
»Ist
es da nicht ein bisschen seltsam«, fragte Sprudel, »dass sie nicht vertrauter
miteinander umgehen?«
»Vielleicht«,
antwortete Fanni, »obwohl ich mir vorstellen kann, dass sie damals nur wenig
Berührungspunkte hatten. Regen ist immer ein großer Bundeswehrstandort gewesen,
Ende der Siebziger waren da eine Menge Soldaten stationiert. Wenn Hubert und
Dieter nicht auf der gleichen Stube, ja nicht einmal in der gleichen Abteilung –
oder nennt man das Zug? – waren, dann kann es schon sein, dass sie
einander nicht näher kannten, als du und Hassan euch kennt.«
»Hassan«,
wiederholte Sprudel den Namen ihres Trekkingguides. »Hast du beobachtet, wie er
Gisela anstarrt?«
»Hm«,
machte Fanni. »Sie übertreibt es ja auch wieder mal. Das T-Shirt, das sie
gestern trug, hat rein gar nichts verhüllt.«
»So
gut wie nichts«, gab Sprudel zu.
»Und
wenn man bedenkt«, fuhr Fanni fort, »dass die meisten Frauen hier verschleiert
herumlaufen, ist es Hassan nicht zu verdenken, wenn er bei einem Dekolleté wie
dem von Gisela Stielaugen bekommt.«
»Dabei
hat Elke schon mehrmals betont, wie angezeigt und verpflichtend es für uns
Touristen ist, sich der einheimischen Kultur anzupassen – besonders was
die Kleidung betrifft«, sagte Sprudel.
Fanni
lachte leise. »Als ob sich Gisela darum kümmern würde.«
Sprudel
stimmte in ihr Lachen ein. »Kein Wunder, dass sich Elke so einen quengeligen
Ton angewöhnt hat. Wenn man als Reiseleiter in jeder Gruppe eine Person wie
Gisela hat, die sich um keine Konventionen schert, dann kann man schon
nörglerisch werden.«
Fanni
stützte sich auf den Ellbogen, sodass sie Sprudel von oben ins Gesicht blicken
konnte. »Als Reiseleiter in kann man in Giselas Fall nörglerisch werden. Hassan
dagegen sieht mir nicht so aus, als wolle er sich über etwas beschweren, und
sonst auch niemand von den Männern, und damit meine ich nicht nur die
Mulitreiber.«
Sprudel
zog sie zu sich herunter und gab ihr einen Kuss. »Du weißt doch, man sieht
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