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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mehler
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so rot wie
eine Mohnblüte.
    Erstaunlich,
dachte Fanni, während sie ihm zusah, wie er gierig aus seiner Wasserflasche
trank. Trotz seines Übergewichts bewegt er sich bemerkenswert flink, ist nicht
eine Handbreit zurückgefallen. Der ganze Trupp war zusammengeblieben –
Mütze an Mütze, Rucksack an Rucksack, so schwer es manchem auch gefallen sein
mochte, mitzuhalten.
    Hassan
machte mit seiner Tüte voll Kraftfutter die Runde.
    Die
Atemzüge begannen sich zu normalisieren, die ersten Worte wurden gewechselt.
Und dann geschah, was Fanni befürchtet hatte. Sie wurde von den Reisegefährten
umringt, befand sich auf einmal im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, galt
geradezu als Attraktion.
    Aus
dir ist mittlerweile eine Zirkusnummer geworden: Die Frau, der jedes
erdenkliche Unglück widerfährt!
    »Fanni«,
sagte Wiebke Brügge noch immer ein wenig atemlos. »Verzeih, wenn ich es dir so
unverblümt sage. Aber für dich steht die Reise unter keinem guten Stern. Solche
Winke des Schicksals sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich an
deiner Stelle würde nach Hause fahren – sofort.«
    »Spinnst
du?«, rief ihr Mann aufgebracht. »Komm uns jetzt bloß nicht mit diesem
esoterischen Schwachsinn. Vorzeichen, Menetekel – alles Quatsch.«
    Bernd
hob lehrerhaft den Zeigefinger. »Manchmal können sich Unglücksfälle ebenso
häufen wie Regentage, wie Rücktritte von Politikern, wie neue Erfindungen. Man
begegnet dem Phänomen am besten mit erhöhter Aufmerksamkeit.«
    So
gut wie alle schienen Bernd zuzustimmen. Einige bejahten laut, andere nickten
bloß, denn im Grunde war es ihnen wohl egal, ob Fanni die Tour weitermachte
oder nicht.
    Abgesehen
von Sprudel, der Fanni ja schon gestern aus Marokko hatte wegbringen wollen,
wirkte einzig Olga unschlüssig. Sie hatte die Nase gekraust, als müsse sie
Wiebkes und Bernds Sätzen nachspüren wie Gerüchen.
    Meint
sie, Richtiges und Falsches erschnüffeln zu können wie Schweine Trüffel?
    Wiebke
ließ beschämt den Kopf hängen. Fanni ging zu ihr und legte ihr die Hand auf den
Arm. »Kurz nachdem wir hier angekommen sind, ist etwas Schreckliches geschehen:
Martha musste sterben. Eine Minute Herumtrödeln, ein Schritt nach links oder
nach rechts hätte sie vielleicht retten können …«
    Eher
eine eigene Jacke!
    »… seither
trifft mich ein Missgeschick ums andere. Aber immer hatte ich Glück. Was aber,
wenn ich nach Hause fahre? Ist dann Schluss mit den Missgeschicken, oder habe
ich dann kein Glück mehr?«
    Otto
Brügge verdrehte die Augen und tippte sich an die Stirn.
    »Philosophischer
Diskurs in knapp dreitausend Metern Meereshöhe«, alberte Hubert, »auf dem …«
Er sah sich um, als würde der Name des Gebirgspasses wie eine Leuchtreklame
irgendwo am Horizont geschrieben stehen.
    »Tizi-n-Addi«,
nörgelte Elke.
    Im
selben Augenblick rief Hassan: »Aufbruch! Wir haben bis zu unserem Zeltplatz in
der Nähe von Ouaneskra noch gut siebenhundert Meter Abstieg vor uns.«
    Erleichtert
hakte Fanni den Bauchgurt ihres Rucksacks fest. Die Anforderung des Abstiegs
würde sie aus dem Brennpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit rücken.
    Dieses
Interesse an deiner Person solltest du geradezu begrüßen, Fanni, weil es dir
die Möglichkeit bietet, die Mienen und die Reaktionen deiner Reisegefährten zu
studieren!
    Fanni
ignorierte die Gedankenstimme, um ihr nicht recht geben zu müssen, und reihte
sich hinter Olga ein, die ihr entsprechende Zeichen gemacht hatte. Nach Sprudel
musste sich Fanni nicht umsehen. Sie wusste auch so, dass er dicht hinter ihr
war.
    Jetzt
hast du zwei Schutzengel!
    Fanni
seufzte. Wieso musste diese Stimme in ihrem Kopf nur ständig irgendeinen
Kommentar auf Lager haben?
    Womöglich
plappert die noch und plappert, wenn ich schon längst tot bin, dachte sie.
    Als
sich die Karawane in Bewegung setzte, stützte sich Fanni auf ihre
Teleskopstöcke und achtete sorgsam auf ihre Tritte, denn der Pfad von der
Passhöhe hinunter ins Nachbartal war steinig, steil und sehr, sehr schmal.
    Der
lädierte Knöchel begann zu schmerzen.
    Gegen
vier Uhr nachmittags hatte Fanni die erste Tagesetappe glücklich hinter sich
gebracht.
    Bei
der Ankunft in dem kleinen Dorf Ouaneskra stellten sie und ihre Gefährten
überrascht und erfreut fest, dass die Mulitreiber nicht nur das Küchen- und das
Speisezelt, sondern auch die Zweimannzelte für die Reisegruppe bereits
aufgebaut hatten.
    Fanni
und Sprudel bezogen Nummer 147.
    »Merkt
euch die Nummern«, nörgelte

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