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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mehler
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sein, bald wieder eine Situation
zu nutzen oder entstehen zu lassen, die ihr erlaubt, wirkungsvoll
zuzuschlagen.«
    Sprudel
war blass geworden. »Sie folgt dir in die Büsche, stößt dich einen Abhang hinunter,
und dann ruft sie laut um Hilfe.«
    »So
ähnlich stelle ich es mir vor«, bestätigte Fanni.
    Sprudel
nahm sie in die Arme und hielt sie fest, als müsse er sie hier und jetzt daran
hindern, in einen Abgrund zu stürzen.
    Ab
sofort wird er dich sogar beim Pinkeln mit Argusaugen bewachen!
    »Mittagessen«,
tönte Elkes Stimme aus dem Innenhof herein, um den die Gästezimmer angeordnet
waren.
    Sprudel
drückte Fanni noch einmal an sich, bevor er sie losließ, um aufzustehen.
    Nachdem
sich Fanni ebenfalls erhoben hatte, öffnete sie das Fenster und warf einen
Blick hinaus. Im Innenhof war in der Zwischenzeit dort, wo die Sonne ein
Viereck auf den Steinboden malte, ein langer Tisch aufgestellt worden. Billige
Stühle aus ehemals weißem Plastik umstanden ihn.
    »Dem
Patron der Gîte sei Dank für Tisch und Stühle«, seufzte Sprudel, der ihr über
die Schulter schaute.
    Fanni
tätschelte seine faltige Wange. Auch sie hatte in den vergangenen Tagen die
Vorzüge von Stühlen gründlich schätzen gelernt. Obwohl sie klein und zierlich
und für ihr Alter ziemlich gelenkig war, hatte es ihr Schwierigkeiten bereitet,
Mahlzeit für Mahlzeit auf dem Boden hockend durchzustehen. Besonders abends zog
es sich oft lange hin, bis Suppe, Hauptgang und Nachtisch aufgetragen,
ausgeteilt und gegessen waren.
    Von
Anfang an aber war offensichtlich gewesen, dass sich die Männer mit der
marokkanischen Esskultur am schwersten taten. Bernd kniete so stramm und
kerzengerade da wie in einer Kirchenbank, Hubert behielt eisern seine
altrömische Liegeposition bei, und Dieter Horn löffelte seine Suppe über dem
Napf kauernd, als wäre er ein Hund, dem man eine Zirkusnummer beigebracht hat.
    Sprudel
schlug sich im Speisezelt dagegen tapfer. Zur Suppe bevorzugte er eine recht
saloppe Form von Schneidersitz, bei der die Knie seine Brust berührten. Beim
Hauptgang ging er wie Fanni in die Fersenhocke, begann allerdings schon nach
wenigen Minuten mit periodischen Gewichtsverlagerungen. Zum Nachtisch setzte er
sich kerzengerade hin, stellte die angewinkelten Beine zuerst auf und ließ sie
dann nach rechts kippen, sodass die Füße auf seiner linken Seite zu liegen
kamen (oder umgekehrt).
    Fanni
konnte all das billigen – sogar Horns Hundenummer und Seegers Cäsarenpose.
Warum auch nicht? Schließlich waren sie Europäer, die von klein auf gelernt
hatten, auf einem Stuhl sitzend am Tisch zu essen. Und damit befanden sie sich
gegenüber jedem Einheimischen, dessen Teller seit jeher direkt vor seinen Füßen
gestanden hatte, schwer im Nachteil. Fanni verspürte beinahe Mitleid mit den so
viel größeren, ungelenken Männern, die ihre Mahlzeiten im Speisezelt mehr oder
weniger durchleiden mussten – mit allen außer mit einem.
    In
den vergangenen drei Tagen hatte sie Otto Brügges Auftritt im Speisezelt hassen
gelernt. Zugegeben, Otto war groß, fast so groß wie Bernd Freise. Aber seine
Größe von gut eins achtzig gab ihm noch lange nicht das Recht, seine Beine quer
über den Tisch zu legen.
    Denn
so war es tatsächlich: Otto saß aufrecht mit von sich weggestreckten Beinen.
Und die waren so lang, dass sie zwischen Tellern, Bechern und Töpfen bis über
die Mitte der Bastmatte hinausragten, die den Bezirk einer Tischplatte
markierte. Ottos schwarzer, gewiss nur selten frisch bestrumpfter großer Zeh
steckte mit Vorliebe im Brotkorb. Mit einer derartigen Vorliebe sogar, dass er
immer wieder dort landete, egal wie oft Fanni oder Sprudel den Korb wegschoben.
Kein noch so indignierter Blick zeigte Wirkung.
    »Wenn
er wenigstens seinen Stinkzeh nicht immer im Brotkorb parken würde«, hatte
Fanni unterwegs einmal zu Olga gesagt.
    »Wieso
stört dich das?«, hatte die Klein-Bäuerin trocken geantwortet. »Er isst den
Inhalt ja sowieso bis auf den letzten Krümel alleine auf.« Und damit hatte Olga
recht gehabt.
    Sogar
der ständig hungrige Bernd ließ inzwischen die Finger vom gemeinsamen Brotkorb.
Er hatte sich offensichtlich genügend mit eigenem Proviant eingedeckt, denn
selbst seine Hosentaschen waren meistens mit Tütchen und Täfelchen ausgebeult.
    Trotzdem,
dachte Fanni. Gewissermaßen umso schlimmer. Brügge ist nicht nur ein Flegel,
sondern auch ein rücksichtsloser Vielfraß.
    Stimmt!
Und am Ende jeder Mahlzeit putzt er sämtliche Töpfe

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