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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mehler
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sein würden.
    Der
Aufstieg am nächsten Tag zeigte sich nicht unwegsamer als die vorherigen
Trekkingetappen.
    »Mehr
als drei bis vier Stunden wird er nicht in Anspruch nehmen«, hatte ihnen Elke
am Morgen quengeliger denn je mitgeteilt.
    Wie
gewohnt führte Hassan die Gruppe an. Elke ging diesmal stoisch als Letzte. So
weit sich die kleine Karawane auch auseinanderzog, niemals überholte sie jemanden,
nicht einen einzigen Schritt weit.
    Irgendwann
dümpelten sie und Melanie in großem Abstand hinterher.
    Fanni
fragte sich erstaunt, warum Melanie auf einmal so sehr zurückblieb. Konnte sie
plötzlich nicht mehr schneller laufen? Hatte sie sich den Fuß verknackst?
    Oder
will sie etwa frühzeitig mitkriegen, wenn ich mich zum Pinkeln in die Büsche
schlagen muss?, überlegte Fanni. Will sie sich dann von hinten an mich
heranpirschen in der Hoffnung, mir den Garaus machen zu können?
    Vielleicht!
Aber Melanie wird schnell merken, dass Sprudel wie eine Schildwache neben jedem
Busch steht, hinter den du dich hockst!
    Tagsüber
ist das ja keine Mühe für ihn, sinnierte Fanni. Aber nachts? Ich muss doch auch
in der Nacht, zweimal mindestens.
    Bisher
war sie nachts ganz leise aus dem Zelt geschlüpft in der Hoffnung, Sprudel
würde nichts davon merken – was natürlich illusorisch war. Er war jedes
Mal hellwach gewesen, wenn sie zurückkam.
    Und
ab sofort wird er wohl mitkommen! Oder denkst du, er lässt dich alleine aus dem
Zelt krabbeln und in der Dunkelheit verschwinden? Er wird
sich aus dem Schlafsack schälen, mitkommen und frierend neben dir stehen, bis
du fertig gepinkelt hast!
    Da
nahm sich Fanni vor, abends weniger von dem Verbenentee zu trinken, der immer
nach dem Essen im Speisezelt ausgeschenkt wurde, damit sie nachts das Zelt
nicht verlassen musste – oder wenigstens nur ein Mal.
    Das
schleppende Tempo begann Fanni zu nerven.
    Otto
Brügge hatte wieder damit angefangen, die Linse seiner Kamera auf jeden Stängel
zu richten, und trieb sich weit abseits des Weges herum. Dieter Horn und Hubert
Seeger hatten sich offenbar in ein Gespräch über elektronische Geräte vertieft,
denn Begriffe wie GPS , User und LAN -Modul wehten
über Fanni hinweg. Die angeregte Diskussion zwang die beiden, alle paar Meter stehen
zu bleiben, um Luft für neue Worte zu schöpfen, und sie zwang Hassan, in
regelmäßigen Abständen auf Hubert und Dieter zu warten.
    Fanni
langweilte sich. Inzwischen bereitete ihr der Knöchel keine Schmerzen mehr, ja
nicht einmal mehr Unbehagen. Die Schulter, die ihr in der Gasse in Marrakesch
schier ausgerenkt worden war, trug willig ihren Anteil am Gewicht des
Rucksacks. Selbst das Handgelenk, an dem sie der Angreifer so fest gepackt
hatte, tat kein bisschen mehr weh, wies jedoch noch zwei rote Male auf, als
hätte Fanni eine Fessel getragen.
    Sie
wäre wirklich gern schneller gelaufen; hätte ihr Tempo am liebsten so weit
gesteigert, dass sich der Puls als lautes Pochen in den Ohren bemerkbar machte;
hätte gern hektoliterweise frische Luft durch ihre Lungen gepumpt.
    Man
muss das Hirn mit Sauerstoff geradezu überschwemmen, dachte sie, den Denkapparat
mit reichlich Nahrung versorgen, damit er fit genug ist, Erkenntnisse
aufblitzen zu lassen.
    Aber
statt euch außer Puste zu bringen, schleicht ihr dahin, kommt alle Nase lang
zum Stehen!
    Und
schließlich blieben sie in Sidi Chamharouch mehr als eine Stunde lang hängen.
    Elke
führte die Gruppe in eine Teestube, wo schon für alle Thé à la menthe
bereitstand.
    »Die
Wallfahrtsstätte Sidi Chamharouch«, erklärte sie, während die meisten ihrer
Schützlinge den wie immer stark überzuckerten Tee mit einer unwilligen Grimasse
tranken, »wird von sehr vielen Marokkanern aufgesucht. Dem Volksglauben nach
ist unter dem großen weißen Felsen, der dort drüben mitten im Bach steht, ein
heiliger Mann bestattet, dem man magische Kräfte zuschreibt. Es heißt, er könne
von seinem Grab aus psychische Störungen heilen.«
    Hubert
tauschte das leere Teeglas seiner Frau gegen sein volles aus. »Da sind uns die
Beraber aber mal schwer voraus: Die bringen ihre Seelenklempner um, bevor sie
sich ihnen anvertrauen.«
    Trotz
aller Saumseligkeit erreichten sie schon bald nach Mittag den terrassenförmigen
Einschnitt im Berghang, wo die Mulitreiber sämtliche Zelte bereits aufgebaut
hatten.
    »Inschallah«,
sagte der Koch, der ebenso wie ihr Guide Hassan hieß.
    Er
winkte die Gruppe ins Speisezelt und eilte davon, um gleich darauf mit einer
Platte voll Couscous

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