Eselsmilch
ungestüm voraus, dann hörte sie Sprudel
japsen: »Fanni … lass … gut sein … jetzt.«
Sie
machte noch ein paar schnelle Schritte, dann wurde sie langsamer und blieb
neben einem tischhohen Felsbrocken endlich stehen.
Dabei
heißt es, nur Lastwagen benötigen einen extralangen Bremsweg!
Sprudel
holte auf, stützte sich vornübergebeugt mit beiden Händen auf den Stein und
pumpte Luft in seine Lungen. »Ich … ich sehe … ein, dass Angst und …
und Frustration kom… kompensiert werden müssen.« Er atmete noch einmal
tief durch. »Aber wenn wir uns zu Tode schinden, lacht sich der …«
»… der
es auf mich abgesehen hat«, schlug Fanni vor.
»… ins
Fäustchen«, beendete Sprudel den Satz. »Lass uns umkehren«, fügte er hinzu.
»Bis zur Passhöhe können wir es sowieso nicht schaffen.«
Ja,
und wozu auch?
Gemächlich
gingen sie zurück, blieben dort und da stehen, um einen Blick ins Tal oder
hinauf zu dem Bergkamm zu werfen, hinter dem der Toubkal lag.
Als
sie wieder in die Nähe der Neltner-Hütte kamen, sahen sie Melanie auf einem
Steiglein neben dem Bach dahinspazieren, der hinunter nach Aroumd floss, waren
aber zu weit entfernt, um ihr etwas zuzurufen.
Bald
darauf trafen sie auf die Seegers, liefen ihnen sozusagen in die Arme, denn
Hubert und Dora wanderten denselben Pfad herauf, den Fanni und Sprudel gerade
hinuntergingen.
Hubert
hielt Doras Hand fest umklammert. Er atmete schwer, und es sah fast so aus, als
müsse Dora ihn ziehen.
Er
grinste schief. »Kaum verkündet unsere frömmelnde Antje: ›Vor jede Mahlzeit hat
der liebe Gott einen Messbecher voll Plackerei gesetzt‹, nimmt Dora das für
bare Münze und hört nicht mehr auf mich. Dabei liegt Antje völlig falsch. Der
liebe Gott hat vor jede Mahlzeit einen Messbecher voll trockenem Sherry gesetzt,
gerne auch mit einem Tröpfchen Gin gemischt; oder einen milden Anislikör mit
reichlich Cassis und wenig Sodawasser.«
Dora
verdrehte die Augen und zerrte ihn weiter.
Auf
halbem Weg zwischen Hütte und Zeltplatz wandte sich Fanni um und schaute
zurück. Sie konnte erkennen, dass Hubert und Dora bereits wieder umgekehrt
waren und zielstrebig talwärts stiegen.
Aus
dem Speisezelt drangen Stimmen.
Fanni
sah auf ihre Uhr. »Kurz vor fünf. Wer nicht mehr unterwegs ist, hockt da drin
und trinkt Tee.«
Sprudel
sah sie fragend an, doch Fanni schüttelte den Kopf. »Wir werden uns erkälten,
wenn wir uns in den verschwitzten Sachen ins Zelt setzen. Wir sollten uns erst
mal so gut es geht waschen und danach frische Wäsche anziehen.«
»Der
Bach …«, begann Sprudel.
Fanni
unterbrach ihn: »… ist viel zu weit weg, viel zu kalt und im Umkreis einer
Hütte bestimmt mit Exkrementen verseucht. Wir greifen wieder zur
Warmduscher-Variante.«
Sprudel
schmunzelte. Fannis Warmduscher-Variante kannte er bereits aus Oughlad. Am
dortigen Zeltcamp war der Bach fast unerreichbar in einer Schlucht
vorbeigeflossen, und Fanni hatte ihm gezeigt, wie man trotz akuten
Wassermangels frisch und einigermaßen sauber werden konnte.
»Man
nehme eines von Lenis reißfesten Zellstofftüchern, die sie von einer Firma für
Laborausstattung bezieht«, hatte ihm Fanni erklärt, als sie beide unbekleidet
nebeneinander auf ihren Schlafmatten im Zweimannzelt knieten, und ihm ein
blütenweißes, weiches, gut taschentuchgroßes Gewebe gereicht. »Das befeuchte
man sparsam mit Mineralwasser« – sie hatte ein Schlückchen aus ihrer
Trinkflasche draufgeschüttet – »gebe einen winzigen Tropfen Waschlotion
dazu und reibe sich von oben bis unten gründlich damit ab.«
Sprudel
hatte zugeben müssen, dass die Methode zwar dürftig erschien, sich jedoch als
durchaus effektiv erwies.
»Und
jetzt«, hatte Fanni hinzugefügt, nachdem sich beide unter vielen Verrenkungen
und unsanften Zusammenstößen mit dem Zeltgestänge, mit gegenseitiger
Hilfestellung und gegenseitigem In-die-Quere-Kommen von den Ohren bis zum
kleinen Zeh abgerieben hatten, »jetzt braucht man den benutzten Zellstoff noch lange
nicht in die Mülltüte zu schmeißen. Zum Schuheputzen taugt er allemal noch und
fürs Abwischen der Zeltheringe sowieso.«
Sprudel
hatte laut gelacht. »Robinson Crusoe hätte ganz schön was von dir lernen
können.«
Als
Sprudel gerade den Eingang ihres Zeltes öffnen wollte, hörte Fanni plötzlich
Elke Knorr neben sich quengeln.
»Der
Nachmittagstee ist längst fertig. Unser Koch hat heute extra Crêpes dazu
gemacht.« Elke schaute sie so vorwurfvoll an und
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