Eselsmilch
Er
schaute in die Runde. »Wenn sie genügend in Rage wäre …«
»Aber
was ist der Grund dafür?«, stöhnte Fanni.
Dieter
zwinkerte ihr zu. »Als wir uns hierhergesetzt haben, dachtest du
wahrscheinlich, du hättest Motiv und Täter endlich gefunden.«
Antje
richtete sich auf. »Dieter hat nichts mit den Anschlägen zu tun.«
Fanni
glaubte ihr. Die Aussagen der Horns hörten sich logisch an, schlüssig und
stimmig.
Die
sind nicht dumm, die beiden, sie haben sich eine Menge schlauer Gedanken
gemacht!
»Abendessen«,
tönte Elkes Stimme über den Hof.
Die
Horns nickten Fanni und Sprudel freundschaftlich zu und erhoben sich.
Als
Fanni ihren Stuhl vom Tisch wegschob, sah sie aus dem Augenwinkel, wie links
von ihr ein Fensterflügel geschlossen wurde. Erst jetzt fiel ihr auf, dass
einige der Gästezimmer zum Innenhof hin lagen.
Habt
ihr womöglich einen heimlichen Lauscher gehabt?
Um
das zu beantworten, dachte Fanni, müsste man wissen, wer dieses Zimmer bewohnt.
Sie nahm sich vor, auf dem Weg zum Speisesaal einen scharfen Blick in den Gang
zu werfen, der von links einmündete. Denn nur auf diesem Flur konnten sich die
Türen zu den Zimmern befinden, die zum Hof hin lagen.
Auf
dem Gang kam ihnen Melanie entgegen.
Melanie,
pochte es in Fannis Kopf. Immer wieder Melanie. Ich muss dringendst mit ihr
sprechen.
Sehr
gut! Es müssen schleunigst klare Verhältnisse geschaffen werden!
Nach
dem Essen bat Elke die Reisegruppe zu einem Treffen in den Salon, doch statt
nur kurz über den weiteren Programmverlauf zu informieren, biss sie sich zwei
Stunden lang an den politischen Problemen Marokkos fest.
Daraufhin
suchten alle hastig und sichtlich erschöpft ihre Zimmer auf.
Am
nächsten Morgen stand der Touristenbus schon um acht Uhr mit laufendem Motor
vor der Unterkunft, um seine Passagiere die ehrwürdige Straße der tausend
Kasbahs entlangzuchauffieren. Kunstgerecht renovierte Kasbahs – ehemalige
Festungen der regierenden Sultane – mit ihren Türmen, Zinnen und Toren
wechselten sich mit verfallenen Lehmbauten ab, die sich täglich mehr wieder mit
der Erde zu vereinigen schienen, aus der sie gebaut worden waren.
Selbst
Fanni war fasziniert davon, ebenso wie alle anderen aus der Gruppe. Alle bis
auf einen.
»Ein
anständiger Wolkenbruch müsste her«, sagte Hubert, »dann gäbe es wieder jede
Menge Nachschub an Bauplätzen.«
Am
frühen Nachmittag ließ Elke den Bus bei einer Rosenplantage anhalten und führte
die Reisegruppe in ein bescheidenes Gebäude, in dem die Essenz aus den
Rosenblättern gewonnen und verarbeitet wurde. Hunderte von Produkten standen in
den Verkaufsregalen, weshalb es ziemlich lang dauerte, bis sich alle mit Rosenöl,
Rosenwasser, Rosenlotion und Rosenseife eingedeckt hatten. Am längsten dauerte
es bei Gisela.
Schon
wenige Kilometer weiter stoppte der Bus erneut auf Elkes Geheiß. Diesmal
ergossen sich seine Insassen in die Werkstätten einer Kooperation.
»Arganöl«,
schwärmte Elke ganz ohne jedes Quengeln, »ist eines der kostbarsten Öle
überhaupt. Es wird aus dem Samen der Frucht gepresst und ausschließlich in
Marokko hergestellt.«
Schnell
zeigte sich, dass auch das Arganöl hauptsächlich als Inhaltsstoff von Kosmetikartikeln
diente. Fanni kaufte je ein Stück Arganölseife für ihre Kinder und eines für
sich. Damit war der Fall für sie erledigt. Für Gisela allerdings noch lange
nicht.
Man
stand gelangweilt herum.
Wiebke
fragte nach der Toilette und wurde eine Treppe hinaufgeführt. Olga nahm zum
x-ten Mal die sündhaft teure Antifaltencreme aus einem der Regale und stellte
sie wieder zurück.
»Antifaltencreme«,
wieherte Hubert. »Was für Schlawiner das doch sind, die Samenquetsch-Beraber.
Wissen ganz genau, wie sie ihre Schmiere bezeichnen müssen, damit sie in die
Warenkörbe hüpft.«
Olga
rückte die Cremedose weit nach hinten und wandte ihr Interesse dem Shampoo zu.
Melanie
kramte lustlos in einer Schale, in der winzige Flakons verschiedener Farben und
Formen lagen, die offenbar parfümiertes Arganöl enthielten.
Irgendwann
hatte Fanni genug vom Herumstehen. Und weil der einzige Hocker im gesamten
Verkaufsraum von Elke besetzt war, der man ein Glas Thé à la menthe serviert
hatte, machte sie Sprudel ein Zeichen und steuerte auf den Ausgang zu. Sie
wollte sich draußen auf einen Stein oder einen Stamm setzen und den Sonnenschein
genießen, bis sich Gisela mit ausreichend Kosmetika eingedeckt hatte.
Auf
einer Holzplanke, die das Grundstück zu einem
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