Eselsmilch
gekränkte Miene nicht zu verkennen war. »Wir hatten das überhaupt
nicht vor, wollten nur an dem Gebäude vorbeispazieren. Aber dann kam dieser
Junge. Er hat Fanni durch die Räume geführt und uns das Bad angepriesen.
Bestimmt verdient er sich ein paar Dirham damit, Touristen einzufangen. Wir
konnten ihn doch nicht um seinen Lohn bringen.«
Elke
nickte Sprudel versöhnlich zu. »Abendessen in zwanzig Minuten.«
Offenbar
war sämtlichen Reisegefährten aufgefallen, dass Fanni und Sprudel den ganzen
Nachmittag über nirgends in Erscheinung getreten waren. Alle erkundigten sich,
was sie gemacht hatten, deshalb mussten sie beim Abendessen ihren Besuch im
Hamam mehrfach schildern.
»Ein
Tête-à-Tête in tropischer Schwüle«, grinste Hubert. »Das habt ihr euch ja fein
ausgedacht.«
Fanni
bemerkte, wie Gisela ihr einen neidvollen Blick zuwarf.
Sie
hätte sich im Hamam bestimmt lieber mit Bernd vergnügt, als sich von Elke
irgendwelche Geschichtsdaten oder Abfolgen von Sultansgeschlechtern vorquengeln
zu lassen!
Fanni
musste sich ein Lachen verbeißen.
»Wie
hast du denn den Nachmittag verbracht?«, fragte sie Olga, die am Tisch neben
ihr saß. Denn jäh hatte sich wieder das schlechte Gewissen gemeldet und ihr
vorgeworfen, sich der Klein-Bäuerin viel zu wenig anzunehmen.
»Ich
habe ausgiebig geduscht und ein bisschen Wäsche gewaschen«, antwortete Olga.
»Dann habe ich mit den Seegers, den Horns und Melanie im Salon Kaffee
getrunken, und anschließend haben wir zusammen einen Spaziergang durchs Dorf
gemacht.« Sie schenkte Fanni ein warmes Lächeln. »Und die ganze Zeit habe ich
gehofft, dass Sprudel gut auf dich aufpasst.«
Elkes
erhobene Stimme beendete ihre Unterhaltung. »Morgen müssen wir ziemlich früh aufbrechen –
gegen sieben, würde ich vorschlagen –, weil wir noch den ganzen Weg bis
Imlil zu gehen haben, wo unser Bus wartet. Von Imlil fahren wir dann über den Pass
Tizi-n-Tichka nach Benhaddou.«
Während
sich Elke noch eine Weile über die bevorstehende Fahrstrecke ausließ, verlangte
Otto bereits die Rechnung für seine Getränke, bezahlte und stand auf.
»Frühstück
um sechs«, nörgelte Elke.
Da
winkte auch Hubert dem Garçon. »Dann wollen wir doch mal zusehen, dass wir noch
ein bisschen am Kopfkissen horchen können.«
18
Es
war erst drei Uhr nachmittags am Mittwoch, den 19. Oktober, als die
Reisegruppe in Benhaddou ankam, wo sie in einem hübschen Gästehaus einquartiert
wurde. Internetanschluss gab es in ihrer Unterkunft allerdings nicht. Deshalb
machten sich Fanni und Sprudel gegen fünf wieder davon, um nach einem Hotel mit
möglichst vielen Sternen Ausschau zu halten, in dem man ihnen zu einer
Online-Verbindung mit Leni verhelfen würde.
Sie
gingen gerade die Hauptstraße entlang, da entdeckte Sprudel ein Internetcafé.
Beherzt traten sie ein, und der freundliche Inhaber zeigte ihnen, wie sie den
Skype-Kontakt herstellen konnten.
Es
klappte auf Anhieb. Leni war sofort auf dem Bildschirm, und sie hatte ihnen
eine Menge zu berichten.
Stumm
hörten Fanni und Sprudel ihr zu.
»Mama«,
sagte Leni abschließend, »ihr müsst Dieter Horn auf das Unglück von damals
ansprechen, ihm alles auf den Kopf zusagen. Nur so kann er vielleicht gestoppt
werden, falls er Martha getötet hat und jetzt hinter dir her ist. Aber macht es
nur vor Zeugen – bitte!«
Fanni
versprach es.
Sie
versprach außerdem, auf sich aufzupassen; sich keinen Millimeter von Sprudel zu
entfernen; sich bald wieder zu melden; kein Risiko einzugehen; Dieter Horn im
Auge zu behalten, der womöglich ein Psychopath war … Fanni versprach
alles, was Leni verlangte.
Dann
auf zur Konfrontation mit dem mutmaßlichen Täter!
Fanni
schüttelte kaum merklich den Kopf. Horn – wie verdächtig auch immer –
musste warten, bis sie halbwegs verdaut hatte, was Leni alles herausgefunden
hatte.
Fanni
und Sprudel waren für eine Weile schweigend ein Sträßchen entlanggelaufen, als
sie in einen kleinen Palmenhain gelangten, in dem Ruhebänke ein Blumenbeet
umstanden. Die Sonne malte Kringel auf das lackierte Holz, und Fanni ließ sich
mitten in einen hineinfallen. Sprudel setzte sich aufatmend neben sie.
Vage
streifte Fanni der Gedanke, dass es hier deshalb so warm und sonnig war, weil
sich der Ort Benhaddou im Tiefland befand, nicht mehr weit vom Wüstenrand
entfernt.
»Melanie
ist also die Patentochter von Hans«, sagte sie.
Vielleicht
sogar seine richtige Tochter, wer weiß?
»Aber
davon wusstest du nichts«,
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