Eselsmilch
erbringen kannst?«
Otto
schien das Lachen vergangen zu sein. Auf einmal wirkte er schockiert.
Er
hat bestimmt nicht damit gerechnet, ernsthaft angeklagt zu werden!
»Ich …
ich …«, begann er stotternd. »Meine Frau …«
Fanni
fiel ihm ins Wort. »Seit wir unterwegs sind, beobachte ich, wie du dich mit
deiner Frau zoffst. Macht sie dir Vorwürfe, weil du mich nicht in Ruhe lässt?«
Otto
starrte sie einen Augenblick lang erschrocken an, dann irrte sein Blick
hilfesuchend zum Eingang des Gebäudes, in dem sich der Rest der Reisegruppe
befand. Plötzlich hellte sich seine Miene auf.
»Wiebke«,
rief er erleichtert, »da bist ja endlich. Komm her und sag dieser Irren, dass
ich ihr nicht das Geringste angetan habe.«
Wiebke
blieb vor ihrem Mann stehen und schaute böse auf ihn hinunter. »Du hast ihr
nichts angetan? In gewisser Weise wohl doch – oder hast du ihr das Foto
endlich gezeigt?«
Otto
spuckte ein knappes »Nein« aus, drückte sich mit Hilfe beider Arme von der
Holzplanke hoch und eilte in Richtung Straße davon.
Fanni
stand ebenfalls auf, um mit Wiebke halbwegs auf Augenhöhe zu sein.
Da
fehlen ja mindestens zwanzig Zentimeter!
»Es
war in Tamsoult, in der dritten Nacht unserer Tour«, begann Wiebke zu erklären.
»Otto musste zum Pinkeln raus. Das muss er nachts oft. Und immer nimmt er seine
Kamera mit.« Wiebkes Gesichtszüge wurden auf einmal weicher. »Manchmal sind bei
solchen Gelegenheiten wirklich erstaunliche Bilder entstanden. Einmal hat Otto …«
Sie
unterbrach sich, wollte wohl nicht abschweifen. »In Tamsoult hat Otto gesehen,
dass das letzte Zelt in der Reihe – euer Zelt – ganz in Mondlicht
getaucht war und sich wie ein außerirdisches Wesen von den anderen abhob.
Natürlich hat er versucht, das Bild mit seiner Kamera einzufangen. Erst nachdem
er auf den Auslöser gedrückt hatte, hat er bemerkt, dass vor dem Zelt jemand
hockte. Zuerst dachte er, das wärst du beim Pinkeln.«
Wiebke
warf einen vorwurfsvollen Blick zum Straßenrand, wo Otto auf und ab ging. »Otto
hat sich das Foto schon am nächsten Morgen angeschaut. Mir hat er es aber erst
gestern spätabends gezeigt. Die Person, die vor dem Zelt hockt, ist viel größer
als du, Fanni. Sie trägt eine Kapuze und hat einen dunklen Schal vors Gesicht
gezogen, so wie Hassan seine Chèche, wenn es stürmt und schneit. Und – sie
hält irgendein Werkzeug in der Hand.«
Wiebke
sah Fanni mitfühlend an. »Ich warte schon den ganzen Tag auf eine Gelegenheit,
dir davon zu erzählen. Und, Fanni, es tut mir sehr leid, dass Otto so
rachsüchtig ist. Er wollte dir nichts davon sagen. Es ist, als bereite es ihm
Vergnügen zuzusehen, wie …« Sie verstummte. Mehr zu sich selbst sagte sie
nach einer Weile: »Er ist so engstirnig, so borniert – so chauvinistisch.
Es ist immer schwerer, mit ihm auszukommen.« Leise fügte sie hinzu: »Es ist unmöglich.«
Rachsüchtig
oder nicht, dein Fan Otto hat dir quasi das Leben gerettet! Wenn er sein
Blitzlicht – oder macht man ohne Blitzlicht …?
Fanni
knipste die Gedankenstimme aus.
Der
Täter hat es auch im Zeltcamp von Tamsoult versucht, dachte sie. Wenn Otto
nicht – Blitzlicht hin oder her – wenn er nicht …
»Einsteigen«,
nörgelte Elke. »Flott einsteigen jetzt. Bis zu unserem Gästehaus in der
Dadés-Schlucht haben wir noch ein ganzes Stück zu fahren.«
Hinter
ihr quoll der Rest der Reisegruppe aus dem Gebäude der Arganöl-Kooperative.
19
Der
Ort, in dem sie übernachten sollten, nannte sich Ait Oudinar und bestand aus
einer kurzen Zeile staubiger Häuser entlang der Landstraße.
Hier
gibt es garantiert keine Möglichkeit, Skype-Kontakt mit Leni aufzunehmen!
Wozu
auch?, dachte Fanni.
Leni
hat genug herausgefunden, mehr als genug. Sie soll sich jetzt lieber wieder auf
ihre Arbeit im Uni-Labor konzentrieren, statt in altem Mist zu stochern.
Seltsam,
sinnierte sie, als sie mit Sprudel auf ihr Zimmer ging, wie mich die Fehler,
die ich früher irgendwann gemacht habe, jetzt auf einmal einholen.
Sie
und Sprudel hatten eigentlich nach dem Abendessen noch ein Stück die Straße
entlanglaufen wollen, aber draußen war es stockdunkel gewesen. Keine einzige
Straßenlaterne erleuchtete die Ansiedlung, und selbst aus den Häusern drang
kaum Licht.
Fanni
setzte sich auf ihr Bett und hörte zu, wie Sprudel in dem notdürftigen
Badezimmer vergeblich versuchte, die Dusche in Gang zu setzen.
Es
ist, überlegte sie, als hätten sich all jene zu dieser Reise
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