Eskandar: Roman (German Edition)
mir ginge, könnten die verehrten Farangi für immer und ewig hierbleiben. Gott ist mein Zeuge, sie geben gute Trinkgelder, und wenn sie einen erst mal kennen, schenken sie einem auch alle möglichen Sachen, angefangen von leeren Flaschen bis hin zu ihren abgetragenen Kleidern, sagt Doroshke-tshi und berührt sein Pferd sanft mit der Peitsche, worauf es abermals den Kopf hebt und senkt und selenruhig weitertrabt. Am besten ist es, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren, sagt Doroshke-tshi, dann verschenken sie ganze Ladungen aller möglichen Sachen.
Sie sind wirklich ein Geschenk des Himmels, sagt Eskandar-Agha. Nicht nur, dass Sie uns einen Platz zum Schlafen anbieten, so wie es aussieht, können Sie und ich sogar Geschäfte machen. Ich bin nämlich hier, um Kleider und auch andere nutzvolle Dinge aus zweiter Hand zu kaufen, um sie dann im Basar von Schiras weiterzuverkaufen.
Mein Geschäft und mein Leben sind das Pferd, die Droschke und meine Kundschaft. Ich bin glücklich damit und will nichts daran ändern, sagt Doroshke-tshi. Aber ich werde dir dabei helfen, und du kannst so viele Geschäfte machen, wie du willst.
Nachdem sie das Viertel der Farangi verlassen haben, kommen sie in das geschäftige Zentrum der Stadt mit dem Basar, den Läden und Buden. Am Abend ist es nicht mehr so heiß. Die Teehausbesitzer haben Bänke mit Teppichen darauf über den Djub gestellt, wo das Wasser die Luft kühlt. Männer räkeln sich, rauchen Wasserpfeife, trinken Tee und genie ßen das abendliche Treiben.
Auch die Kaffeehäuser, in denen vor allem die Farangi sitzen, allerdings auf Stühlen und an Tischen, sind gut besucht, hier sitzen sogar Frauen. Eine der Damen raucht sogar in aller Öffentlichkeit. Sie wirft den Kopf in den Nacken, lacht lauthals, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten, und alle, sogar der vorbeifahrende Doroshke-tshi und Eskandar, können ihr bis tief in den Rachen blicken. Erst beim zweiten Hinsehen, als die Frau den Mund wieder schließt, an ihrer Zigarette zieht und zu ihnen hinübersieht, erkennen Eskandar und Aftab-Khanum, es ist dieselbe Madam, die eine Weile zuvor an ihnen vorübergefahren ist und huhu und hello gerufen hat. Jetzt springt sie auf, läuft zur Droschke und ruft, driver, stop, stop, please.
Stopplease heißt, ich muss anhalten, erklärt der freundliche Doroshke-tshi, ruft rrrr, shhh und zieht die Zügel straff. Sie ist nämlich die Frau des Konsuls des Farangestan, was Kanada heißt.
Sofort erinnert Eskandar-Agha sich, dass er auch einen kanadischen Freund hatte. Mesterr-Richard ruft er, ohne dass er will, und zieht den Kopf ein, weil seine Stimme schrill und laut ist. Aftab-Khanum, die Frau des Konsuls und Doroshke-tshi sehen ihn verwundert an, sogar das Pferd wendet den Kopf.
Der Droschkenführer springt vom Wagen, nimmt seinen Strohhut vom Kopf, sagt, hello, Madam Konssuul, hovayuu? Gud? Gud?
Good. Good, antwortet die Farangi-Khanum. Tomorrow?, fragt sie und nickt. You come to my house?
Farda, tomoro?, sagt der freundliche Doroshke-tshi, nickt und lächelt.
Yes. Yes, sagt die Khanum, mustert Aftab-Khanum, sagt hello und reicht ihr die Hand.
Aftab-Khanum erschrickt so sehr, dass sie einen kleinen Satz macht, um von der fremden Hand nicht berührt zu werden. Dann fängt sie sich wieder und streckt ihrerseits die Hand aus, allerdings bedeckt sie sie mit ihrem Schleier. Aftab-Khanum sieht den spöttischen Blick der Farangi und den tadelnden Blick ihres Mannes, schafft es aber, weiterzulächeln.
Schließlich ist sie eine Kafar, flüstert Aftab-Khanum, und als solche ist sie najess.
You come to my house too, sagt die Farangi-Frau. My clothes your size.
Thank you. My wife no need your clothes, antwortet Eskandar-Agha und lächelt freundlich. Me buy clothes, make shop.
Good, good, sagt die Farangi-Frau, legt ihre Hand auf die Armlehne der Droschke und kommt gefährlich nah an das Knie von Aftab-Khanum, die stocksteif dasitzt und im Geist die Worte der Farangi nachsagt. Please, closs, murmelt Aftab-Khanum.
You go Canada?, fragt Eskandar-Agha.
Yes, sagt die Frau, lacht wieder mit offenem Mund. Aftab-Khanum schämt sich, schafft es aber nicht wegzusehen, denn obwohl es sich nicht ziemt, findet sie es aufregend, wie diese Farangi sich so frei und ungehemmt verhält. Außerdem findet Aftab-Khanum die Farangi viel zu schön, um wegzusehen. Ihr offenes gelbes Haar schmückt ihr Gesicht und fällt in sanften Wellen auf ihre Schultern. Und obwohl ihre Arme und Unterschenkel nackt
Weitere Kostenlose Bücher