Eskandar: Roman (German Edition)
dass keiner sie beobachtet, nimmt die Hand seiner Aftab-Khanum in seine und küsst sie rasch. Wollen Sie wissen, was das für ein Geschäft ist, was ich Ihrem Vater und dem anderen Händler vorgeschlagen habe?, fragt Eskandar-Agha.
Eigentlich hat Aftab-Khanum keine Lust, Geschichten über irgendwelche Geschäfte zu hören, noch weniger aber hat sie Lust, sich mit ihrem enttäuschten Ehemann auseinandersetzen zu müssen. Erzählen Sie, sagt sie.
Sie wissen ja, wie sehr König Resa-Khan die Farangi und ihre Lebensart liebt. Er will, dass Frauen ihre Schleier ablegen und Männer ihre traditionelle und bäuerliche Bekleidung gegen westliche Jacken und Hüte austauschen.
Aber das weiß ich doch alles, sagt Aftab-Khanum.
Noch kommen die Leute dem Wunsch unseres Königs nicht nach, erzählt Eskandar-Agha, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Doch es wird bestimmt nicht mehr lang dauern, und wir werden keine Wahl haben und uns an seine Anweisungen halten müssen. Glücklich jene Händler, die für diese Zeit vorgesorgt und ihr Lager mit Farangi-Kleidern und Artikeln gefüllt haben.
Das ist der Grund, warum wir hier sind?, fragt Aftab-Khanum entsetzt, um abgetragene Kleider von Farangi zu kaufen? Aber die Farangi sind kafar, Ungläubige, sie sind unrein, najess, und ihre Sachen sind es auch.
Khanum, glauben Sie mir, wenn es um Geld geht, ist nichts mehr so unrein, wie die Leute glauben.
Ich will ein Versprechen von Ihnen, sagt Aftab-Khanum. Sie dürfen mich unter keinen Umständen zu einem Farangi-Arzt bringen. Sie wissen genauso gut wie ich, diese Ärzte wollen sogar ihre weiblichen Patienten unbekleidet sehen, und Allah bewahre, sie wollen sie sogar anfassen.
Ich werde nicht zulassen, dass ein fremder Mann Sie berührt, er soll Sie nur untersuchen. Wenn Sie wollen, können Sie sich dafür auch hinter einen Vorhang setzen, versucht Eskandar seine Frau zu überreden, kann aber nicht weitersprechen, weil hinter ihnen plötzlich ein lautes Krachen und Rattern ertönt. Es ist ein Automobil. Allerdings sitzt an dessen Steuer kein Mann, sondern eine Farangi-Frau. Sie trägt einen riesengroßen Hut mit Krempe, der seinen Schatten auf ihr Gesicht und ihre nackten Schultern und Arme wirft. Im Vorbeifahren sieht die Frau zu Eskandar-Agha und Aftab-Khanum hinüber, winkt und ruft huhu, hello.
Aftab-Khanum lächelt unwillkürlich, und mehr aus einem Reflex heraus und zu ihrer eigenen Verwunderung winkt sie und ruft ebenfalls huhu und hello, zieht aber gleich den Kopf ein und schlägt die Hand vor den Mund, als könnte sie ihren Ruf zurückholen. Dann schielt sie schuldbewusst zu Eskandar und kann nicht anders, als keck zu grinsen.
Eskandar denkt nicht mal daran, sie wegen ihres schamlosen Verhaltens zu schelten. Sie sehen bezaubernd aus, sagt er stattdessen. So jung, gesund und glücklich wie damals am Tag unserer Hochzeit. Am liebsten würde ich Sie umarmen, gleich hier und jetzt küssen und nicht mehr loslassen.
Ist es wahr, dass die Farangi ihre Frauen vollkommen unbekleidet sehen, sie in den Arm nehmen und am ganzen Körper liebkosen?, fragt Aftab-Khanum und wird rot.
Ausgerechnet in diesem Moment kommt der Droschkenführer zurück. Rrrrr, shhh, ruft er und zieht an den Zügeln, um sein Gefährt anzuhalten. Salam, Friede sei mit euch, sagt er. Steigt ein, wir fahren nach Hause.
Nach Hause?, fragt Eskandar-Agha und hilft seiner Sonne in die Droschke.
Wenn ihr wollt, könnt ihr in meinem Haus wohnen. Mein Vater hat mir den Namen Ahmad gegeben, sagt der Droschkenführer, aber bereits als kleiner Junge haben mich alle Batshe-Garitshi genannt, weil ich, schon bevor ich gehen konnte, auf dem Wagen saß. Seit die Farangi gekommen sind und unsere Gari nun Doroshke heißen und ich kein Batshe mehr bin, sondern ein Mann, nennen die Leute mich Doroshke-tshi. Er berührt sein Pferd sanft mit der Peitsche. Der Gaul hebt und senkt den Kopf, als würde er nicken, trabt aber im gleichen Tempo weiter.
Ich habe erlebt, wie die ersten Farangi mit ihren riesigen Schiffen hier im Hafen von Abadan angekommen sind, erzählt Doroshke-tshi, mit all ihren Geräten, Autos und Maschinen. Ich erinnere mich, wie sie das Gelände für ihre Raffinerie vermessen und die Anlage gebaut haben. Ich bin dabei gewesen, als sie den Grundstein gelegt und die Rohre verlegt, ihre Straßen gebaut und sie asphaltiert haben. Mein Pferd und ich lieben ihre Gärten und den Duft ihrer Blumen, mit dem sie unsere Luft tränken. Und wenn es nach meinem Pferd und
Weitere Kostenlose Bücher