Eskandar: Roman (German Edition)
sind, ihr Kleid viel zu eng geschnitten ist und die Blumen darauf viel zu aufdringlich und auffällig bunt sind, ist die Frau keineswegs unanständig, sie ist nicht verlegen und unterhält sich mit den Männern mit einer Selbstverständlichkeit, die beneidenswert ist. Aftab-Khanum sieht sie sich genau an, findet aber nichts an ihr vulgär oder billig wie bei den leichten Frauen in der Eisenbahn.
Eine feine Dame, sagt der freundliche Doroshke-tshi, als sie weiterfahren.
Aftab-Khanum hört und sieht genau hin, sucht die Lüsternheit in der Stimme des Droschkenführers, die Missachtung, die Ehrlosigkeit, findet nicht den geringsten Hinweis darauf. Und dann lächelt Aftab-Khanum und sagt laut und deutlich und auch für Doroshke-tshi hörbar, sie scheint eine wirklich anständige Frau zu sein.
Dort, wo das kleine Lehmhaus des Doroshke-tshi steht, sind die Straßen ungeteert, schmal und unbequem zu befahren wie die meisten Straßen, Gassen und Wege im übrigen Iran. Am schnellsten kommen die vielen Zweiradfahrer voran, sie überholen sogar die Droschke, die hier nur noch im Schritttempo unterwegs ist. Feiner Staub legt sich gleichmäßig auf Kleider, Haare und Haut, sogar auf Wimpern und Augenbrauen. Die Droschke biegt und neigt sich, knarrt und keucht, dass Eskandar befürchtet, seine Frau könnte jeden Moment aus ihr herausfallen. Ihr selber aber macht das Hoppeln und Schaukeln Spaß, und sie vergisst beim Lachen, die Hand vor den Mund zu nehmen. Eskandar-Agha findet es schamlos, aber es erregt ihn auch. Und dann ist er verunsichert, weil er alles das einfach geschehen lässt.
Die Frau und Töchter des Doroshke-tshi bekommt Eskandar-Agha natürlich nicht zu sehen, aber er hört ihre Stimmen. Nachdem seine Aftab-Khanum nämlich zu den Frauen ins hintere Zimmer verschwunden ist, dauert es nicht lange, da hören die Männer das Kichern und bald auch das laute und ungehemmte Lachen der Frauen. Beide Männer wundern sich, rufen jeweils, Khanum, worauf die Frauen ihr Lachen unterdrücken. Aber schon im nächsten Moment bricht es wieder aus ihnen heraus und klingt so unbekümmert, dass Doroshke-tshi und Eskandar-Agha nicht anders können, als sich ebenfalls davon anstecken zu lassen.
Lassen wir sie, flüstert Doroshke-tshi. Tun wir, als würden wir es nicht hören. Wann haben die Saifeh schon Gelegenheit, ausgelassen und fröhlich zu sein? Wir sind ja unter uns, du bist mir nah wie ein Bruder, sagt er und zwinkert Eskandar-Agha zu.
Auch als Doroshke-tshi und Eskandar längst schlafen, reden die Frauen noch immer, lachen und amüsieren sich. Am nächsten Morgen sieht das Gesicht von Aftab-Khanum zwar müde aus, aber sie ist glücklich wie schon lange nicht mehr. Ausgelassen zu lachen scheint ebenso gesund zu sein wie ausgiebig zu weinen, sagt sie strahlend zu Eskandar. Und dann tut sie etwas, was sie noch nie getan hat: Sie zwinkert ihm zu und sagt, ich habe das Gefühl, mein ganzer Körper ist mit neuem Leben erfüllt.
Schließlich gelingt es Eskandar-Agha sogar, seine Frau davon zu überzeugen, dass es nicht najess ist und den Gesetzen der Religion nicht widerspricht, wenn sie ihn in das Haus der Farangi begleitet. Vielleicht ist es aber auch die Neugierde, die über ihren Glauben siegt; jedenfalls geht sie mit, um ihm zu helfen, die Sachen, die die Madame nicht mehr braucht, abzuholen.
Anders als in iranischen Häusern sind die Zimmer nicht um einen Hof herum gebaut, und sie sind durch Türen untereinander verbunden, und es gibt so viele davon, dass man sich leicht verirren kann.
Jedes Zimmer ist vollgestopft mit Tischen und Stühlen, die nicht ordentlich entlang der Wände aufgestellt sind, sondern wahllos mitten in den Raum verteilt sind. Kommoden, Betten, Vasen, kleine Figuren und Statuen, Sessel, Truhen, Kissen und an den Wänden Bilder, Fotografien, Teller, Stoffe und viele andere Dinge verwirren Aftab-Khanum so sehr, dass sie sich an ihren Eskandar-Agha klammert.
Fragen Sie die Madame, aus welchem Grund sie ihre Möbel mitten in den Raum gestellt hat, sagt Aftab-Khanum, und warum hängen sie ihre Sachen an die Wände, statt sie ordentlich in Truhen und Schubladen zu verstauen?
Eskandar-Agha und Doroshke-tshi laden Körbe und Kisten, Bündel mit Kleidern, Hüten, Schuhen, Töpfen, Pfannen, Besteck, Kissenbezügen, Tischdecken, Vorhängen und sogar ein paar Klappstühle ein und transportieren alles zum Bahnhof, wo sie es bis zur Abfahrt der Eisenbahn in die Obhut eines Freundes von Doroshke-tshi geben.
Wir
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