Eskandar: Roman (German Edition)
Staub wirft und seine Schuhe küssen will.
Bitte, Agha, ich habe Ihnen zu danken, sagt Eskandar-Agha, denn ich habe vor Gott und dem Koran einen Eid abgelegt, dass ich dem ersten Bedürftigen dieses Geld geben werde, wenn meine kranke und betrübte Frau auch nur den leisesten Hauch Hoffnung verspürt.
Möge Gott der Herr geben, dass Sie und alle Ihre Angehörigen stets gesund sind und Sie immer Ihr großes Herz für die Bedürftigen dieser Welt behalten, sagt der Bettler, fällt abermals vor Eskandar-Agha zu Boden, küsst ihm aber nur die Hand.
Wie überall am Persischen Golf ist es auch in Abadan heiß und stickig, das Licht flimmert, die Kleider kleben an der Haut, und bis in den frühen Abend hinein verkriechen sich sogar die streunenden Hunde und Katzen in den Schatten, und wegen der Raffinerie hängt schwer der Geruch des Naft in der Luft.
Weil es im Viertel, in dem die Farangi wohnen, so viele Bäume, Sträucher, Wiesen und Blumen gibt, die den ganzen Tag gegossen werden, ist es dort kühler als in der restlichen Stadt. In der Hoffnung, dass er im Farangi-Gästehaus für sich und seine Aftab-Khanum ein Zimmer bekommt, mietet Eskandar-Agha eine teure überdachte Droschke und lässt sich dorthin bringen.
Soweit ich weiß, vermieten sie keine Zimmer an Iraner.
Wir versuchen es dennoch, erwidert Eskandar. Meine Frau kann ja schließlich nicht auf der Straße schlafen.
We have no vacancy, sagt der Mann in dem blütenweißen Hemd und lässt Eskandar nicht einmal durch die Tür ins Innere des Gästehauses, das die Farangi Hotel nennen.
Ich kenne alle Gäste- und Teehäuser. Keines ist geeignet, um mit einer Saifeh dort einzukehren. Du wirst nicht darum herumkommen, bei deiner Verwandtschaft zu wohnen, solange du dich in unserer Stadt aufhältst, sagt der Droschkenführer.
Bei seiner Verwandtschaft kann man allerdings nur wohnen, wenn man eine hat, antwortet Eskandar und zwingt sich zu einem Lachen, um seine Frau nicht zu beunruhigen.
Soll das heißen, du nimmst eine Saifeh, eine kranke dazu, und reist mit ihr den ganzen Weg von Schiras an einen Ort, in dem du keine Verwandtschaft hast? Sag die Wahrheit, bist du auf der Flucht? Ist sie überhaupt deine Frau?
Ich will ehrlich sein, sagt Eskandar. In Schiras habe ich sie zu allen heiligen Schreinen gebracht, kein Hakim oder Mullah konnte ihr helfen. Unter dem Vorwand, hier Geschäfte machen zu wollen, habe ich sie aus der Freudlosigkeit unserer vier Wände herausgelockt, und wie es scheint, tun ihr bereits jetzt die Abwechslung und die Luftveränderung gut. Ich bin zuversichtlich, wenn sie andere Menschen und neue Landschaften sieht, wird sie auf andere Gedanken kommen. Außerdem habe ich die Absicht, sie hier zu einem Farangi-Arzt zu bringen, sagt Eskandar in der Hoffnung, der Droschkenführer könne ihm einen nennen.
Es tut mir leid für dich, sagt der Droschkenführer. In welcher Welt lebst du? Sowenig, wie sie die Türen ihrer Gästehäuser für Iraner öffnen, sowenig helfen uns ihre Ärzte. Sie sagen, sie haben diese schließlich nicht den ganzen weiten Weg aus ihrer Heimat hierherkommen lassen, damit sie Leute wie dich und mich kurieren. Er hat noch nicht ausgesprochen, da bereut der Droschkenführer schon seinen rüden Ton. Bleib hier, sagt er, das Farangi-Viertel ist der einzige kühle Ort in der Stadt. Ich werde meine Arbeit erledigen und euch am Ende des Tages genau an dieser Stelle wieder abholen. Bis dahin werde ich eine Bleibe für euch gefunden haben.
Die ersten Stunden sitzen Eskandar und seine Aftab-Khanum mit ihren zwei Bündeln am Straßenrand im Schatten der Bäume. Sie lehnt ihren Kopf an seine Schulter, schließt die Augen, lauscht dem Vogelgezwitscher und den Rufen der Kinder aus den umliegenden Gärten.
Sie haben eine schöne Sprache, sagt Aftab-Khanum.
Das ist Engelissi, erklärt Eskandar.
Verstehen Sie, was die Kinder sagen?
Sie sagen, gib mir den Ball, erfindet Eskandar.
Sogar ihre Mädchen spielen, sagt Aftab-Khanum und fängt an zu schluchzen. Ich werde niemals ein Mädchen oder einen Jungen haben, die mit einem Ball spielen.
Erst als zwei große Farangi-Männer in Uniform mit Gewehren und einem bösen Blick sich vor ihnen aufbauen und sie verscheuchen, hört Aftab-Khanum auf zu weinen. Sie wischt ihre Tränen ab und seufzt. Es tut gut zu weinen. Das befreit das Herz. Ich sollte wieder regelmäßig zur Roze-khani gehen und mich von den traurigen Geschichten der Akhund zum Weinen bringen lassen.
Eskandar vergewissert sich,
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