Eskandar: Roman (German Edition)
Schreiber.
Mein Kopf und meine Hände sind ständig beschäftigt, sagt der Stoffdrucker. Ich halte mich aus Angelegenheiten der Landesführung heraus. Habe weder Zeit, lange über irgendwelche Dinge nachzudenken oder zu diskutieren, noch um zu irgendeinem Agha zu gehen und ihm zu Diensten zu sein, falls er mich braucht und nach mir schickt. Gott schenke euch Frieden, verabschiedet er sich und geht.
Der ältere Mullah und der Dallack aus dem Hammam sind gegen Mossadegh. Wir werden ihn nicht unterstützen, sagen sie. Das ist ja doch nur ein Verrückter, sagt der alte Mullah. Außerdem macht er den großen Fehler, sich mit den Kommunisten zu verbünden.
Was sind Kommunisten?, rufen ein paar Männer.
Das weiß doch jedes Kind, sagt der alte Mullah. Die Tudeh ist von den gottlosen Russi erfunden worden. Jedes Kind weiß, was die Russi in all den Jahren in unserem Land angerichtet haben. Das reicht mir, sagt der Alte. Jedenfalls ist es ein Fehler, dass unser König diesen Mossadegh überhaupt als Abgeordneten zulässt.
Bis eben hast du nicht gewusst, was eine Partei ist, sagt der Gewürzhändler zum alten Mullah, jetzt willst du wissen, dass Mossadegh gemeinsame Sache mit diesen Kommunisten aus Russland macht?
Dieser Mittag bleibt Eskandar-Agha und auch vielen der anderen Männer in guter Erinnerung, denn wie unterschiedlich auch immer ihr Stand und ihre Einstellung ist, an diesem Tag fühlen sie sich wie Brüder, vereint durch einen Wunsch: Sie wollen Frieden und in Ruhe ihr Leben führen.
Ein ganzes Jahr kämpft Mossadegh für seine Ideen und Pläne, er streitet, hält flammende Reden, verhandelt, doch die Briten lassen sich nicht einmal auf Gespräche mit ihm ein, geschweige denn auf seine Forderung, den Iran an den Gewinnen aus der Erdölförderung und den Profiten der Anglo Iranian Oil Company zu beteiligen. Mossadegh antwortet mit einem klugen Schachzug und fordert, die demokratische Verfassung von 1906 wieder einzuführen.
Das freut Eskandar-Agha, denn nun kann er im Teehaus voller Stolz die Geschichten erzählen, wie er als kleiner Junge dabei gewesen ist, um für genau diese Verfassung, der ersten im Iran, zu kämpfen. Zusammen mit den Reitern und Freiheitskämpfern bin ich nach Esfahan und Teheran geritten und habe die Männer mit meinen Gesängen, Geschichten und Rezitationen aus dem Koran ermutigt, erzählt Eskandar-Agha, lächelt zufrieden und legt seine Hände auf seinen inzwischen nicht mehr ganz flachen Bauch.
Ich wünschte, Sie wären heute dabei, sagt Aftab-Khanum. Ich jedenfalls habe es getan.
Sie haben es getan? Was haben Sie getan?
Und ich nehme in Kauf, großen Ärger mit Ihnen zu bekommen, aber das ist mir die Sache wert, antwortet sie und versucht das Zittern ihrer Hände zu verbergen.
Die Sache? Khanum, Sie machen mich nervös, welche Sache?
Ich hatte Ihnen von der Abendschule erzählt, sagt sie mit bebender Stimme. Nun, ich habe mich für die Lehrerinnenprüfung angemeldet.
Gegen meinen ausdrücklichen Willen haben Sie es getan?
Und ich habe die Prüfung bestanden. Sogar mit Bravour, sagt Aftab-Khanum. Ich werde nicht klein beigeben und die Stelle, die man mir angeboten hat, annehmen, sagt sie voller Stolz.
Eine Stelle? Sie wollen schon wieder Mann und Haus verlassen?
Die Abendschule, für die ich eingeteilt worden bin, befindet sich gleich in der nächsten Gasse, und ich habe bereits mit dem Sohn unseres Nachbarn vereinbart, dass er mich hinbringt und nach Hause begleitet, falls Sie es nicht tun möchten.
Bevor ich entscheide, ob ich Sie von irgendwo abhole oder nicht, möchte ich wissen, aus welchem Grund Sie sich meinem ausdrücklichen Wunsch widersetzt haben.
Meine Schüler sind einfache Jungen und Männer, denen das Wenige, was sie hatten, genommen worden ist, sie sind Bauern gewesen, nun leben sie teilweise auf den Straßen der Stadt, sagt Aftab-Khanum wie eine, die sich ihre Worte lange überlegt hat. Diese Jungen und Männer wollen aber nicht aufgeben. Sie wollen nützliche Mitglieder der Gesellschaft werden, ihnen fehlt aber das nötige Wissen. Als der Vater des derzeitigen Königs Großgrundbesitzer enteignet hat, hat er es nämlich versäumt, sich um die Leibeigenen, die Bauern, die von einem Tag auf den anderen allein gelassen worden sind, zu kümmern.
Wem sagen Sie das? Schließlich ist es mir nicht anders gegangen, sagt Eskandar-Agha. Wir hatten nichts, weder Tiere noch Werkzeuge, kein Saatgut und nicht einmal Essen, selbst Wasser hatten wir keines.
Sehen Sie?,
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