Eskandar: Roman (German Edition)
sagt aber nichts.
Tun Sie etwas gegen Ihre Langeweile, fordert Aftab-Khanum ihn auf. Die Zeiten, in denen es die einzige Aufgabe einer Ehefrau gewesen ist, ihrem Mann zu dienen, gehören längst zur Vergangenheit. Vervollständigen Sie Ihre Notizen. Wer weiß, vielleicht werden die Leute eines Tages wissen wollen, wie das Leben in unserer Zeit ausgesehen hat, wie das erste Petroleum gefunden wurde und die größte Raffinerie der Welt entstanden ist. Vielleicht interessiert es die Generationen nach uns, wie unsere Väter für die Entstehung des Madjless gekämpft haben, wer die Freiheitskämpfer, die Djangali, sind und wer Mossadegh ist und warum die Engelissi, Russi und Amrikai unser Land über Jahrzehnte hinweg besetzen und ausbeuten.
Khanum, nicht genug, dass Sie kaum zu Hause sind und Ihren Pflichten als Ehefrau nicht nachkommen, beschwert Eskandar-Agha sich, spricht aber nicht weiter, weil Aftab-Khanum im Sitzen eingenickt ist. Es dauert nicht lange, da fängt sie auch schon an zu schnarchen, und zwar so laut, dass es Eskandar unmöglich ist, sich auch nur im gleichen Zimmer mit ihr aufzuhalten, geschweige denn an ihrer Seite einzuschlafen. Er nimmt sein Kissen und seine Decke, geht hinaus an den Rand des Wasserbeckens, zündet die Laterne an, schlägt seine Notizen auf und schläft ebenfalls ein.
Unausgeschlafen und enttäuscht von seiner Frau und seinem Leben, schleppt Eskandar-Agha sich täglich zum Basar, wo er vor Langeweile und wegen seiner schlaflosen Nächte oft eindöst. Was er an den meisten Tagen ungestört tun kann, denn wegen des Krieges hat kaum noch jemand genügend Geld für Kleidung, auch wenn sie aus zweiter Hand ist. Nicht einmal mehr der Junge aus dem Teehaus kommt zu ihm, weil er seit Wochen kein Geld mehr für ihn hat. Abends, wenn der Mullah zum letzten Gebet ruft, schließt Eskandar-Agha wie die anderen Händler seinen Laden, geht nicht wie sie zum Gebet in die Moschee, sondern direkt nach Hause, wo er wieder allein ist. Eine Zeit lang läuft das so, schließlich geht Eskandar-Agha überhaupt nicht mehr in seinen Laden, sondern macht stattdessen immer längere Spaziergänge durch die Stadt, wo er neue Läden, Plätze, Straßen und sogar ganze Siedlungen entdeckt. Er geht ins Kino, in Teehäuser, ins Postamt, in Moscheen, in Theaterhäuser, besucht sogar das Viertel, in dem die leichten Mädchen ihre Körper an fremde Männer verkaufen, beobachtet alles und jeden.
Nach ein paar Tagen hält Eskandar-Agha es nicht mehr aus, alles, was er bei seinen Spaziergängen gesehen und erlebt hat, für sich zu behalten. Und weil seine Aftab-Khanum nicht da ist, der er es erzählen könnte, kramt er einen Notizblock hervor und fängt wieder an zu schreiben. Im Licht einer Laterne sitzt er am Wasserbecken und schreibt und schreibt. Bis die Hähne krähen, die Nachbarn aufwachen und seine Aftab-Khanum zu ihm herauskommt und ihn anlächelt.
Sie scheinen müde, aber auch zufrieden zu sein, sagt sie und kümmert sich nicht weiter um ihn.
Bei seinem nächsten Spaziergang schlendert Eskandar-Agha, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was er dort will oder was ihn erwartet, zum Haus von Dr. Mossadegh. Der Bürgersteig vor dem Haus ist voll von Männern, die alle zum berühmten Politiker vorgelassen werden wollen. Es sind so viele, dass Eskandar-Agha sie nicht zählen könnte. Modern und traditionell Gekleidete, Junge und Alte, Gebildete und Ungebildete.
Wenn die Menge der Besucher ein Beweis für die Bedeutung und den Stand eines Mannes ist, dann ist der verehrte Mossadegh sogar noch einflussreicher, als der große Palang-Khan es gewesen ist, denkt Eskandar-Agha und hockt sich an die gegenüberliegende Hauswand, schnappt Gesprächsfetzen auf, über den großen Krieg, die Weltmächte, die Nazis, die vielen Toten und Opfer des Krieges, über die wirtschaftliche Lage, das iranische Öl. Ein- oder zweimal ist Eskandar-Agha drauf und dran, den Leuten zu erzählen, dass er dabei gewesen ist, als die erste Ölquelle aus dem Boden geschossen kam, hält sich aber zurück, denn die vielen Jahre, die seitdem vergangen sind, haben seine Geschichte so sehr in die Ferne gerückt, dass es ihm manchmal vorkommt, als hätte er sie erfunden.
Die Schlagkraft der englischen Marine ist einzig darauf zurückzuführen, dass die Engelessi im Besitz des iranischen Erdöls sind, erklärt ein Mann, der wie die meisten anderen ein weißes Hemd und eine schwarze Hose trägt.
Das ist absurd, sagt ein anderer. Wollen Sie behaupten,
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