Eskandar: Roman (German Edition)
schließlich hat er in Farangestan studiert und versteht mehr von diesen Dingen als wir alle zusammen.
Die Männer nicken und sehen zum Anwalt, der sich allerdings ziemlich viel Zeit lässt, bevor er endlich spricht. Diese Dinge, wie Sie sie nennen, beginnt er und schlürft von seinem Tee. Diese Dinge sind selbst für diejenigen von uns, die ein paar Jahre im Ausland studiert haben, nicht leicht zu durchschauen.
Wieder nicken die Männer, alle schauen gebannt zum Anwalt.
Was Mossadegh meint, wenn er von Parteien, Freiheit, Selbstbestimmung, Wahlen und dergleichen spricht, ist selbst für einen wie mich schwer zu verstehen, sagt der Anwalt, lehnt sich zurück und will mit seinen Erklärungen fortfahren, als der Teehausbesitzer ihn unterbricht.
Also dann werde ich das Mittagessen für die Herren bringen, ruft er. Und hoffen wir, dass wenigstens der verehrte Mossadegh selber versteht, was er mit den Dingen meint, die er in den Zeitungen sagt.
Er hat recht, wirft einer der Männer ein. Was geht es uns an, was die im Madjless machen? Zwei Spieße Kebab und Reis mit Joghurt für mich, bitte. Ich muss zurück in meinen Laden, denn mit Reden werde ich mein tägliches Brot nicht verdienen.
Zufrieden darüber, dass die Männer wieder Bestellungen aufgeben, stochert der Teehausbesitzer in der Kohle seines Manqal, spießt fri sches Lammfleisch und Gehacktes auf und legt frische Tomaten auf den Rost.
Der Anwalt lässt beleidigt sein halb volles Teeglas stehen, zahlt und geht.
Die Männer essen genüsslich ihre Fleischspieße mit Reis und frischem Brot aus dem Ofen, als der neue junge Mullah auftaucht. Wie immer freundlich lächelnd und noch bevor er sich setzt, ruft er, Männer hört mir zu.
Die Männer wenden sich ihm zu, denn trotz seiner Jugend respektieren sie ihn. Er hat den Koran studiert, kennt sich aber auch in weltlichen Fragen aus. Aber vor allem mögen die Männer ihn, weil er bescheiden und ehrlich ist, ihnen nicht ständig Vorhaltungen macht und ihnen ihr Geld nicht abknöpft. Außerdem packt er zu, wo immer es etwas zu tun gibt.
Verehrte Freunde, ruft er, wie Sie wissen, ist der verehrte Mossadegh kürzlich in die Heimat zurückgekehrt und ist jetzt Abgeordneter des Parlaments. Er hat alle Bürger des Landes aufgerufen, ihn in seinem Kampf für die Unabhängigkeit und Freiheit unserer Heimat zu unterstützen. Ich möchte einen Brief an ihn schreiben und ihm meine Dienste anbieten und euch, meine lieben und verehrten Freunde, möchte ich einladen, es mir gleichzutun.
Zwei Männer heben die Hand und sagen sofort ihre Unterstützung zu. Schreib den Brief, wir werden unseren Fingerabdruck daruntersetzen.
Agha-Eskandar, sagt der junge Mullah, ich habe Papier und einen Bleistift, bitte seien Sie uns behilflich.
Eskandar-Agha weiß, dass der Mullah zu den Besten seiner Zunft gehört, dass er dennoch nicht lesen und schreiben kann, ist nicht ungewöhnlich. Gib her, sagt er, ohne zu zögern, und lässt sich den Brief diktieren.
Während Eskandar-Agha in seiner schönsten Schrift schreibt, stel len die Männer dem Mullah die gleichen Fragen, die sie zuerst Eskandar-Agha und dann dem Anwalt gestellt haben.
Ich bin kein Fachmann, sagt der junge Mullah ohne Umschweife, aber ich denke, eine Partei ist etwas Ähnliches wie eine Religion, nur dass sie nicht von Gott und dem Propheten kommt, sondern von einem Menschen.
Heißt das, der verehrte Mossadegh will unserer Religion den Kampf ansagen?, fragt der Teehausbesitzer.
Das lässt er besser bleiben, sagt der junge Mullah, denn es gibt nur eine Religion und nur einen Propheten. Ich glaube eher, die Partei braucht man, um Angelegenheiten der Regierung zu regeln und die Farangi aus unserem Land zu werfen.
Dann ist Partei etwas Gutes, stellt der Teehausbesitzer zufrieden fest.
Davon bin ich überzeugt, antwortet der junge Mullah und diktiert: Wir alle stehen Ihnen, verehrter Agha-Mossadegh, zu Diensten. Wir werden Ihnen folgen und Sie unterstützen. Unseren Wunsch und Willen, Ihnen zu helfen, bekräftigen wir mit unseren Siegeln und unserem Fingerabdruck. Wir werden zur Stelle sein, sobald Sie jemanden schicken und uns rufen. Sie finden uns im Basar entweder im Teehaus oder in der Moschee.
Und nun, ruft der Mullah, kann, wer will, seinen Siegel oder seinen Fingerabdruck an die Stelle setzen, wo Eskandar-Agha den Namen des jeweiligen schreibt. Agha-Djamshid, Besitzer des Teehauses. Mullah-Hossein, Akhund. Seyyed Ali, Gewürzverkäufer. Agha-Eskandar, Händler und
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