Eskandar: Roman (German Edition)
unser Petroleum entscheidet über Sieg oder Niederlage der Weltmacht Engelesstan?
Die Begeisterung und Lebendigkeit, die von den Männern ausgehen, sind dermaßen ansteckend, dass Eskandar-Agha am nächsten Tag früh aufsteht und geradewegs wieder zum Haus von Dr. Mossadegh geht. Wie am Tag zuvor hockt er sich ein oder zwei Stunden an die Mauer und lauscht den Gesprächen. Am dritten Tag rasiert er seinen inzwischen nicht nur buschigen, sondern auch grau melierten Bart ab, wäscht sich gründlich, kramt seine alte Schreibkiste hervor, kauft fünfzig Bogen Papier und einen neuen Stift, setzt sich an die Mauer und wartet. Es dauert nur wenige Minuten, bis der erste Kunde zu ihm kommt und ihn bittet, ein Dokument für ihn zu lesen. Und bereits am Nachmittag stehen die Männer Schlange, um sich von Eskandar-Agha Briefe, Verträge und anderes schreiben und vorlesen zu lassen, und er muss viele auf den nächsten Tag vertrösten.
Am vierten Tag, als Eskandar-Agha in seinem neuen alten Beruf arbeitet, kommt ein junger, gut aussehender Mann in schwarzer Hose und ordentlich gebügeltem und strahlend weißem Hemd aus dem Haus und ruft etwas in die Menge. Nach und nach verstummen die Männer, der junge Mann ruft abermals. Die Männer sehen sich suchend um, schütteln die Köpfe, manche machen ein betretenes Gesicht, als hätte der Mann eine schlechte Nachricht verkündet.
Der verehrte Sekretär sucht jemanden, der die Sprache der Engelissi kann, sagen die Männer, doch niemand meldet sich.
Kann jemand wenigstens ein paar Brocken Englisch?, ruft der junge Mann. Als sich noch immer keiner meldet, grinst er gutmütig. Vielleicht ist jemand unter Ihnen, der auch nur ein Wort Englisch spricht?, fragt er und bringt die Menge zum Lachen. Gerade als er wieder ins Haus gehen will, deutet einer auf Eskandar-Agha und sagt, der Schreiber spricht Engelissi. Die Männer sehen alle zum Schreiber hinüber und bilden ein Spalier, damit der Sekretär zu ihm durchkann.
Als wäre er ein kleiner Junge oder ein alter Mann, beugt der Sekretär sich zu Eskandar-Agha und legt ihm die Hand auf die Schulter. Agha, sagt er, dieser Mann hier erzählt, Sie haben die Aufschrift seines Farangi-Medikaments für ihn gelesen, darf ich Sie um einen Gefallen bitten?
Aber ich habe die Aufschrift nur gelesen, verstanden habe ich sie nicht, erklärt Eskandar-Agha, während der Sekretär ihn durch die Menge in Richtung des Hauses schiebt. Jemand, der die Sprache lesen kann, ist alles, was ich brauche, beruhigt der Sekretär Eskandar-Agha.
Im Hof, hinter dem großen Eisentor, warten noch mehr Besucher, schlendern auf und ab, hocken an der hohen Gartenmauer, unterhalten sich, rauchen oder stehen einfach nur herum. Der junge Sekretär führt Eskandar-Agha ins Haus, durch einen dunklen Gang und in ein kleines Büro, in dem zwei Männer an einem großen Tisch sitzen und in ihre Schreibarbeit vertieft sind. Noch immer lächelnd, sagt der junge Sekretär, herzlich willkommen, mein Freund, nennen Sie mich Sekretär. Darf ich fragen, wie Sie heißen?
Eskandar-Agha.
Sagen Sie mir Ihren Nachnamen, bittet der Mann.
Für Eskandar-Agha ist es so ungewohnt, seinen Nachnamen zu sagen, dass er einen Moment überlegen muss und rot wird, Khod-Mokhtar, sagt er, aber alle nennen mich Eskandar-Agha oder Agha-Eskandar.
Herr Khod-Mokhtar also. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Das ist ein schöner Name, mit dem Sie Geschmack bewiesen haben, sagt der Sekretär.
Eskandar-Agha überlegt noch, wie er es am besten erklären kann, dass nicht er, sondern seine verehrte Ehefrau den Namen für sie ausgesucht hat, da sagt der Sekretär, wie auch immer, diese beiden Herren sind Ihre Kollegen, und hier ist Ihr Arbeitsplatz. Wir haben ein paar ausländische, vor allem englische Texte und Dokumente, von denen wir Abschriften benötigen. Glauben Sie, Sie schaffen das? Wir zahlen zwar keinen besonders üppigen Lohn, aber wir zahlen pünktlich.
Statt zu antworten, schweigt Eskandar-Agha und lächelt verlegen.
Dann bedanke ich mich, wünsche Ihnen eine leichte Hand und uns, dass Sie eine leserliche Schrift haben. Der Sekretär schiebt einen Stapel Papier auf den leeren Platz und bedeutet Eskandar-Agha, sich zu setzen. Er blickt den anderen beiden Männern rasch über die Schulter, nickt zufrieden und verschwindet.
Mit den anderen beiden Männern versteht Eskandar-Agha sich auf Anhieb. Der eine ist Lehrer und heißt Agha-Mostafa, der andere ist Student und lernt die Sprache der
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