Eskandar: Roman (German Edition)
gleich zwei oder drei Fotografien von meinen Freunden und mir, sagt Mossadegh fröhlich. Und wenn die Bilder entwickelt sind, geben Sie sie einem der Sekretäre, am besten dem, der die Aufsicht über das Schreibbüro hat. Das ist doch Ihr Arbeitsplatz, oder?
So ist es, antwortet Eskandar-Agha, verwundert darüber, dass der verehrte Mossadegh überhaupt weiß, dass er für ihn arbeitet.
Ich liebe Fotografien, ruft Mossadegh und macht eine ausholende Bewegung. Kommen Sie, ruft er in die Runde. Kommen Sie, lassen Sie uns Fotografien machen.
Nachdem Eskandar-Agha alle acht Bilder seiner Filmrolle verknipst hat, bedankt Mossadegh sich und wendet sich wieder seinen Gesprächspartnern zu.
Jetzt ist der Fotoapparat ein Markenzeichen von Ihnen, sagt der Student. Und wer weiß, nachdem Sie nun den großen Mossadegh abgelichtet haben, werden Sie eines Tages vielleicht sogar berühmt mit Ihren Bildern.
Ich mag Ihre Bilder, sagt der Lehrer, Agha-Mostafa, und betrachtet lange die Aufnahme, die Eskandar-Agha von ihm und dem Studenten gemacht hat. Was halten Sie davon, wenn Sie meine Familie und mich ablichten?
Der Lehrer lässt gleich eine ganze Serie von sich, seiner Frau, seinen Kindern, seinen Brüdern, seinen Eltern und seinem Haus machen, und am Ende will er auch noch ein Foto mit der Abschlussklasse, die er unterrichtet. Als die Schüler die Bilder sehen, bestellen diejenigen, die es sich leisten können, einen Abzug, und der Schulleiter beauftragt Eskandar-Agha, auch im nächsten Jahr die Abschlussklasse zu fotografieren. Manche Eltern der Schüler wollen ebenfalls ihre Familien fotografiert haben, und mit einem Mal bekommt Eskandar-Agha so viele Aufträge, dass er sich gegen ein Entgelt nachts beim Agfa-Vertreter einmietet und seine Bilder selbst entwickelt.
Von den schönsten fertigt er jeweils einen zusätzlichen Abzug für sich selbst an: Damit die Erinnerung nicht verloren geht, schreibt er auf die jeweiligen Umschläge, versieht sie mit Datum, Ort und Namen der Fotografierten und verstaut sie in einer Kiste. Manche Bilder klebt er gleich in sein Notizbuch und schreibt eine Geschichte dazu auf.
Mit seinen Schreib- und den zusätzlichen Fotoarbeiten verdient Eskandar-Agha so viel Geld wie noch nie. Bereits nach einem Dreivierteljahr mietet er das Nachbarzimmer für sich und seine Sonne dazu und erwirbt zum ersten Mal in seinem Leben zwei Stühle, einen kleinen Tisch und sogar ein richtiges Bett. Und beim Agfa-Vertreter, der eigentlich ein Silberverkäufer ist, kauft er für seine Aftab-Khanum den ersten Schmuck. Eine Halskette mit einem Faravahar als Anhänger.
Sie schenken mir das Symbol des ewigen Geistes, sagt Aftab-Khanum und strahlt ihren Eskandar-Agha an, als wäre sie selber die Sonne, die der Prophet Zartosht angebetet hat.
Damit Sie wissen, dass mein Geist immer bei Ihnen ist, immer bei Ihnen gewesen ist, schon bevor wir uns gekannt haben, und er wird auch bei Ihnen sein, wenn wir beide längst nicht mehr in dieser Welt sein werden. Im Winter des Jahres 1943 bekommt Eskandar-Agha einen Spezialauftrag. Der junge Sekretär schickt ihn vor die Vertretungen der Sowjetunion und Engelissi und beauftragt ihn, so viele Aufnahmen wie irgend möglich zu machen. Denn die drei großen Staatsoberhäupter der Welt treffen sich zu einer Konferenz in Teheran. Präsident Roosevelt, Premierminister Churchill und Stalin besprechen, wie sie die Deutschen besiegen und die Welt nach dem Krieg aufteilen wollen.
Eskandar-Agha findet die wartende Menge, die Reporter, die wachhabenden Soldaten und Polizisten, die auffällig unauffälligen Geheimagenten und Spitzel so aufregend, und er macht so viele Aufnahmen, dass er keine leere Filmrolle mehr hat, als die drei Staatsoberhäupter endlich herauskommen und sich der Presse stellen.
Aber ich wusste nicht, dass sie herauskommen würden, erklärt er dem verdutzten Sekretär.
Aber nur dafür habe ich Sie doch dorthin geschickt, sagt der Sekretär, um Fassung ringend.
Am nächsten Tag macht Eskandar-Agha nicht eine einzige Fotografie, er geht weder zum Essen, noch um seinen Durst zu stillen, sondern wartet geduldig und starrt unaufhörlich zum Eingang, aus dem die drei Staatsmänner am Vortag herausgetreten sind, als ein Soldat der Russi Eskandar-Agha zu sich ans Tor winkt. Zuerst traut er sich nicht, zu ihm zu gehen, und tut, als würde er nicht verstehen. Der Soldat aber lässt nicht locker, und Eskandar-Agha hat das Gefühl, es ist besser, der Aufforderung
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