Eskandar: Roman (German Edition)
nachzukommen.
Ssigarett?
Eskandar-Agha schüttelt den Kopf, zuckt die Achseln, dann hat er eine Idee und bedeutet dem Russi zu warten. Er läuft zur nächsten Ecke, kauft bei einem Jungen mit einem Bauchladen drei Zigaretten und bringt sie dem Russi. Auch wenn sie nicht dieselbe Sprache sprechen, versteht der Russi sofort, was Eskandar-Agha im Tausch für die Zigaretten haben will. Der Soldat lacht und öffnet, ohne zu zögern, das Tor, lässt Eskandar-Agha hinein und nimmt die Zigaretten.
Überrascht von seinem Glück und stolz auf sein Geschick tritt Eskandar-Agha ein, doch das Tor ist hinter ihm noch nicht wieder zugefallen, da packen zwei andere kräftige Russi-Soldaten ihn am Kragen und werfen ihn unsanft wieder auf die Straße hinaus.
Das war’s, ich habe die Nase voll, schimpft Eskandar-Agha vor sich hin, als er den Staub der Straße von seiner dunklen Hose klopft und seine schmerzenden Knie reibt. Spassiba, sagt er zu dem Russen, ich habe genug vom Warten, dann habe ich eben keine Bilder von den ausländischen Staatsmännern.
Doch da wird es hinter Eskandar-Agah plötzlich laut, und der russische Soldat grinst breit und bedeutet ihm zu warten.
Die Reporter und wartenden Männer sprechen aufgeregt durcheinander, laufen hin und her, und Fotografen rennen auf das Tor zu, durch das Eskandar-Agha gerade herausgeworfen wurde. Eskandar-Agha dreht sich herum und sieht mit Schrecken, er steht weniger als einen Steinwurf entfernt vor dem jungen König, Mohammad-Resa-Schah höchstpersönlich. Da stürmen auch schon zwei Männer in identischen blauen Farangi-Anzügen auf Eskandar-Agha zu und schnappen sich ihn. Während er es schafft, den Auslöser seiner Kamera wieder und wieder zu spannen und draufzudrücken, schleifen die beiden ihn rückwärts vom Tor weg bis hinter die Absperrungen der Polizei.
Die Reporter sagen, der König ist gekommen, um seinen Gästen das Versprechen abzuringen, bei der Neuaufteilung der Welt die Unabhängigkeit des Iran anzuerkennen.
Sie werden ihn gar nicht erst empfangen, sagt einer der Reporter. Ein anderer lacht höhnisch. Der weiß doch nicht einmal, wie das Wort Unabhängigkeit geschrieben wird, sagt er.
Sofort lassen die beiden Agenten von Eskandar-Agha ab, schnappen sich den Reporter und wollen ihn wegzerren, da stürzen sich ein paar andere Männer und Reporter auf sie. Es gibt einen lauten Disput, der in einem Handgemenge und schließlich einer gewaltigen Schlägerei mit Verletzungen und der Verhaftung von drei Reportern endet. Eskandar-Agha kann sich rechtzeitig hinter einem Automobil verstecken, von wo aus er weitere Fotografien macht.
Als der junge König wieder aus der Botschaft herauskommt, geht ein Raunen durch die Menge, denn er ist tatsächlich flankiert von den drei wichtigsten Männern der Welt: Churchill, Roosevelt, Stalin.
Wir garantieren dem Iran seine politische Unabhängigkeit, erklären die drei den anwesenden Reportern. Darüber hinaus sagen wir für die Dauer des Krieges wirtschaftliche Hilfe zu.
Diese Nachricht spricht sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Stadt herum, und alle hoffen, dass es nun wieder genügend Lebensmittel gibt, die persische Währung aufgewertet wird und die schlechte wirtschaftliche Lage ein Ende hat.
Zumindest auf dem Papier werden wir nun als unabhängiges Land anerkannt, sagt der junge Sekretär, während er die Fotografien begutachtet und mit jedem Bild breiter grinst. Das ist immerhin ein Anfang, sagt er. Und Eskandar-Agha fragt sich: Meint er einen Anfang für den Iran oder für die Qualität meiner Fotografien?
Aftab-Khanum ist entzückt über die Fotografie des jungen Königs und freut sich darüber fast mehr als über die Halskette, die Eskandar-Agha ihr geschenkt hat. Das werden meine neuen Lieblingsbilder, sagt sie, stellt eine Fotografie, auf der der König zwar etwas schief abgelichtet ist, aber lächelt, in die Nische und legt eine getrocknete Blume davor.
Seine anderen Fotografien legt sie in die Kiste, gleich hinter die Aufnahmen der Straßenkinder, Bettler und Schulkinder. Dann folgen die Fotos der wenigen Frauen, die Eskandar-Agha erlaubt oder unerlaubt aufnehmen konnte. Als Nächstes sortiert Aftab-Khanum die Bilder vom Basar ein, prächtige Stände, Läden, Händler, Stoffe, Gewürze. Anschließend kommen die Fotografien aus der Stadt, vom Kanonenplatz, der Kaserne und der Eröffnungsfeier der neu errichteten Universität, des Postamts, alter und neuer Straßen, der Gaslampenbeleuchtungen, Droschken,
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