Eskandar: Roman (German Edition)
wenigstens haben wir nun den Beweis, dass die Engelissi sich tatsächlich vor uns fürchten. Er nimmt das Taschentuch von Eskandar-Aghas Stirn, hält es in den Djub, um es zu spülen und zu kühlen. Für die Farangi steht viel auf dem Spiel, schließlich ist die AIOC inzwischen ihre größte Einnahmequelle überhaupt. Und nur dank des billigen Öls aus dem Iran können sie so viele Automobile bauen und fahren und volltanken.
So wie Sie das darstellen, hängt ihre gesamte Wirtschaft davon ab, dass unser Öl fließt, sagt Eskandar-Agha.
Davon und davon, dass die Raffinerie in Abadan funktioniert, sagt der Sekretär und nickt, zufrieden mit seinen Ausführungen.
Glauben Sie mir, sagt Eskandar-Agha, verzieht vor Schmerz das Gesicht und versucht, den Mund nicht zu weit zu öffnen. Die Engelissi fürchten sich vor nichts und niemandem. Das haben die nicht nötig.
Bei allem Respekt, sagt der Sekretär, wringt das Taschentuch aus, legt es Eskandar-Agha auf die geschwollene Wange, hängt im Wechsel sein eigenes ins Wasser. Es tut mir aufrichtig leid, was mit Ihnen geschehen ist, aber wie gesagt, es ist der beste Beweis dafür, wie nervös die Engelissi sind. Außerdem ist es ein Beweis dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Ich weiß, murmelt Eskandar-Agha, genau diesen Text haben wir gestern zwanzig- oder dreißigmal abschreiben müssen.
Der Sekretär berührt den Kiefer von Agha-Eskandar vorsichtig, sagt, jedenfalls sehe ich kein Blut.
Eine Weile noch hocken die beiden am Djub. Der Sekretär lächelt nicht mehr, als er sagt, es ist wichtig, dass einfache Leute wie Sie und ich jetzt nicht aufgeben. Sie selber haben es in der Moschee gesagt, wir sind die Stütze des verehrten Mossadegh, ohne uns kann er nicht tun, was er tut, und ohne uns wird er aus diesem Kampf als Verlierer hervorgehen.
Glauben Sie mir, sagt Eskandar-Agha ebenfalls mit vollkommen ernster Miene, ob eine so kleine Stütze wie ich steht, oder fällt, merkt niemand.
Ich habe mitbekommen, dass der verehrte Mossadegh in letzter Zeit häufig Besuch von den Amrikai bekommt, sagt der Sekretär und tut, als würde er ein Geheimnis verraten. Die Amrikai sind feine Menschen, sie mögen die Iraner. Erst neulich, als der verehrte Mossadegh Amrika besucht hat, hat ihr Präsident, Mr. Truman, seine Freundschaft zu unserem verehrten Premier bekundet, und gestern oder vorgestern habe ich mitbekommen, wie er ihm erneut seine Grüße entsandt hat.
Ich muss nach Hause, sagt Eskandar-Agha, hofft, dass seine Frau ihm und seiner schlimmen Lage mehr Beachtung schenken wird als der Sekretär.
Nehmen Sie sich den Tag frei, sagt der Sekretär, aber ich zähle auf Sie und rechne damit, dass Sie morgen wieder ins Büro kommen.
Kaum hat Eskandar-Agha den Hof betreten, fühlt er sich, als hätte er nicht nur einen heftigen Schlag gegen den Kopf und Ohrfeigen kassiert, sondern eine richtige Tracht Prügel bezogen. Er verzieht das Gesicht vor Schmerz, hält sich den Kiefer, humpelt sogar ein wenig und erzielt bei Aftab-Khanum den gewünschten Effekt.
Mit weit aufgerissenen Augen schlägt sie die Hand vor den Mund, um nicht zu schreien, ruft trotzdem laut, der Herrgott soll mich töten, was hat man Ihnen angetan?
Die Nachbarn, deren Fenster sich ebenfalls zum Hof hin öffnen, strecken die Köpfe heraus, können aber den Grund der Aufregung nicht erkennen und wenden sich wieder ihren eigenen Problemen zu.
Aftab-Khanum schüttelt die Kissen neben dem Wasserbecken auf, hilft ihrem Mann, sich zu setzen, fischt die große Wassermelone, die sie zum Kühlen ins Becken gelegt hat, heraus, holt frischen Tee und Zucker. Nachdem Eskandar-Agha ihr die Geschichte wieder und wieder und immer mit neuen Einzelheiten erzählt, holt Aftab-Khanum das Notizheft von Agha-Eskandar. Notieren Sie, sagt sie. Das ist eine feine Geschichte, die aufgeschrieben werden muss. Und ich werde morgen in der Schule meinen Schülerinnen davon berichten. Sie werden nach Hause gehen und es ihren Eltern und Familien erzählen, und es wird sich herumsprechen, wozu diese Unmenschen in der Lage sind. Möge Gott sie für ihre Tat bestrafen, möge er sie erblinden lassen und ihnen die Pest schicken, schimpft Aftab-Khanum.
Sagen Sie Ihren Schülerinnen, falls sie vorhaben sollten, im Ausland zu studieren, sollen sie sich unter keinen Umständen für Engelesstan entscheiden, sondern eine Universität in Amrika aufsuchen, sagt Eskandar-Agha. Anders als die Engelissi wollen die Amrikai nämlich nur das Beste für uns
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