Eskandar: Roman (German Edition)
sehen, nicht gespielt ist.
Ich stehe einer Handvoll Männer vor, erzählt der Student. Wir werten die Presse aus und erstellen Analysen. Ich könnte einen erfahrenen und gebildeten Mann wie Sie gut gebrauchen. Wenn Sie erlauben, werde ich mit dem Sekretär, der ein anderer ist als der, den Sie kennen, sprechen und ihn fragen, ob wir Sie einstellen dürfen.
Als Eskandar-Agha von dem Tod seiner Frau berichtet, ist er auf seltsame Weise gefasst, weder weint er, noch versagt ihm die Stimme.
Noch ein Opfer, sagt der Student. So viele Menschen sind bei Demonstrationen, Hausdurchsuchungen oder einfach nur, weil sie im falschen Moment am falschen Ort gewesen sind, ums Leben gekommen. Man kann sie gar nicht mehr zählen. Es sind Tausende, flüstert er, blickt sich um und spricht so leise, dass es schwer ist, ihn zu verstehen. Und die Gefängnisse des Königs, flüstert er, sind bis unter die Decke voll mit mutigen Menschen, die es gewagt haben, ihre Meinung zu äußern.
Ich habe genug gesehen und gehört, sagt Eskandar-Agha und bin am Ende meines Lebens angekommen. Alles, worauf ich jetzt noch warte, ist mein eigener Tod.
Viele Männer haben aufgegeben, sehen keinen Sinn mehr, sagt der Student und richtet sich auf. Aber es gibt, Gott sei gedankt, noch immer viele, die kämpfen, und ihre Zahl nimmt täglich zu.
Seit ich auf der Welt bin, kämpfen die Menschen in unserem Land. Gegen Großgrundbesitzer und ihre Willkür; gegen korrupte Politiker und illegale Besatzer; gegen die Gewalt einer Polizei ohne Moral, Gesetz und Anstand. Und am Ende haben sie meine geliebte Aftab-Khanum getötet. Jetzt liegt sie unter der Erde, und ich bin allein.
Wie um sich zu schützen, nutzt der Nachbarjunge Hossein die Anwesenheit des Studenten und sagt in einer Art, wie er es noch nie gewagt hat, mit ihm zu sprechen. Agha, bitte vergeben Sie meine Offenheit, aber wäre Aftab-Khanum jetzt hier, sie würde sagen, dass Sie aufhören sollen zu klagen und sich selbst zu bemitleiden. Es würde Ihrer verehrten Frau Aftab gefallen, wenn Sie wieder arbeiten würden, statt Ihr Leben mit Nichtstun zu verschwenden.
Statt Öl fließt Blut
Wir schreiben das Jahr 1951, notiert Eskandar-Agha auf einen Zet tel. Lange Jahre hat Agha-Mossadegh gekämpft. Manch einer hat nicht mehr an seinen Erfolg geglaubt. Doch am heutigen Tag ist es ihm gelungen.
Das persische Petroleum ist nationalisiert, schreibt Eskandar-Agha und schiebt den Zettel in seine Brusttasche. Dann holt er ihn wieder heraus und schreibt:
Meine Aftab-Khanum hat daran geglaubt.
Ich brauche jeden Mann, ruft der Student und stürmt ins Schreibbüro.
Die Engelissi und ihre Agenten blockieren alle Telegrafen, Telefone und Straßen aus dem und in den Süden des Landes. Der Premier möchte, dass wir sofort ein paar Männer in den Süden nach Abadan schicken, um Einblick in die Bücher des AIOC zu erhalten, bevor die Engelissi sie vernichten oder damit nach Engelesstan verschwinden.
Eskandar-Agha trinkt einen Schluck von seinem Tee, stellt das Glas ab und sagt, ich bin nur ein kleiner Schreiber, aber falls ich helfen kann, ich bin dabei.
Es ist aber nicht ungefährlich, sagt der Student.
Das ist mir schon klar.
Also gut, sagt der Student. Dann sind Sie dabei. Die Delegation reist in ein paar Stunden ab. Wir haben keine Ahnung, was uns dort erwarten wird. Die Berichte und Artikel der Schah-treuen Presse sind natürlich zensiert und manipuliert.
Ich verstehe nichts von Büchern und Konten und Abrechnungen, sagt Eskandar-Agha. Wahrscheinlich habe ich den größten Nutzen, wenn ich in der Stadt unterwegs bin und versuche, von der allgemeinen Stimmung so viele Eindrücke wie möglich einzufangen.
Machen Sie so viele Fotografien wie Sie können, sprechen Sie mit den Leuten, sammeln Sie Informationen.
Sie sind ein guter Mensch, sagt Eskandar-Agha, und weiß nicht, warum ihm Tränen in die Augen schießen.
Wo immer Eskandar-Agha auftaucht, begegnet er lachenden und glücklichen Menschen. Zum ersten Mal, seit ich in dieser Welt bin, habe ich das Gefühl, dass ich etwas wirklich Wichtiges bewegen kann, sagt ein Arbeiter der AIOC und lacht glücklich, als Eskandar-Agha ihn und eine Gruppe Arbeiter fotografiert.
Diese Jungen und Männer sind stolz, Iraner zu sein, schreibt Eskandar-Agha in seinen Bericht und macht noch eine Aufnahme von ihnen, die sie in Siegerpose und mit erhobenen Fäusten zeigt.
Weder der Internationale Gerichtshof noch die Ignoranz der Verein ten Nationen, weder
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