Eskandar: Roman (German Edition)
verzeihen Sie unsere Unhöflichkeit, sagt Roxana, aber seit Sie mir von damals erzählt haben, habe ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt und bin jedem Hinweis nachgegangen, bis ich herausgefunden habe, dass meine Mutter, die beklagenswerte Tajelmoluk, sich nicht mehr in dieser Welt befindet. Roxana redet, als würde sie über ein Geschäft sprechen.
Wie Sie gesagt haben, hat sie, kurz nachdem Sie und ich ihr Haus verlassen haben, geheiratet. Sie hat aber nicht viel von ihrem Mann gehabt, denn er ist früh gestorben, erzählt Roxana und sieht dabei an Eskandar-Agha vorbei ins Leere. Angeblich hatte sie noch weitere Kinder, aber niemand weiß, ob sie noch am Leben sind. Sie selbst hat sich noch ein paar Jahre durchgeschlagen, Roxana sieht auf den Boden, mit der gleichen Arbeit, meine Mutter ist – Tajelmoluk ist -
Sie hat es nicht getan, weil es ihr gefallen hat, kommt Eskandar-Agha ihr zu Hilfe. Bis heute besitzen viele Frauen nichts als ihren Körper, mit dem sie ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder bestreiten können.
Am Ende ihres Lebens ist ihr nicht einmal mehr ihr Körper geblieben, murmelt Roxana. Die Leute sagen, sie hat auf der Straße gebettelt, dann ist sie in eine Art Haus für Arme gekommen. Eine Frau, die dort arbeitet, meinte sich erinnern zu können, dass ihr Körper von Lepra zerfressen war und sie am Ende an Syphilis gestorben ist. Ihr Tod muss qualvoll gewesen sein.
Am liebsten möchte Eskandar-Agha zu Roxana gehen, sie in den Arm nehmen und trösten, aber er bleibt sitzen.
Roxana muss schlucken, bevor sie sagt, mir selbst geht es gut wie kaum einem Menschen, und ich hätte ihr helfen können. Tränen sammeln sich in Roxanas Augen. Wenn ich es nur gewusst hätte, sagt sie und vermeidet es, Mahrokh-Khanum anzusehen.
Was immer ich tun kann, um Ihren Schmerz zu lindern, werde ich tun, sagt Eskandar-Agha. Dann sagt er etwas, das er nicht beabsichtigt hatte zu sagen. Es wird mir, so Gott will, Gelegenheit geben, meinen vor Jahren begangenen Fehler wiedergutzumachen.
Von welchem Fehler sprechen Sie?, fragt Roxana überrascht.
Davon, dass ich einfach auf und davon gerannt bin und Sie im Stich gelassen habe, antwortet Eskandar-Agha, erleichtert, nach all den Jahren die Wahrheit endlich ausgesprochen zu haben.
Lassen Sie das, unterbricht Mahrokh-Khanum ihn und sieht Eskandar-Agha wütend an. Es gibt nicht den geringsten Grund, sich zu entschuldigen, fährt sie ihn auf eine Art an, die ihr ihre ganze Schönheit raubt.
Hören Sie auf damit, schimpft Roxana. Ich dachte, Sie wollten keine Geheimnisse mehr vor mir haben.
Roxana-Khanum hat recht, all die Jahre habe ich mein schlechtes Gewissen wie eine schwere Last durch mein Leben geschleppt, bis mein alter Meister-Hodjat mich darüber aufgeklärt hat, dass ich benutzt worden bin, sagt Eskandar-Agha, ohne Mahrokh-Khanum oder Roxana anzusehen.
Ich bin es leid, stöhnt Roxana, als erwachsene Frau von über vierzig Jahren will ich endlich ernst genommen werden. Sie fixiert Eskandar-Agha mit ihrem Blick, sodass er nicht anders kann, als sie anzusehen.
Liebes, versucht Mahrokh-Khanum sie zu beruhigen. Hör nicht auf ihn. Was der verehrte Eskandar-Agha meint, hat mit dir und deinem Leben nichts zu tun. Das ist etwas zwischen ihm und mir. Sie beugt sich vor, versucht die Aufmerksamkeit von Eskandar-Agha auf sich zu ziehen. Halten Sie sich aus Dingen heraus, die Sie nichts angehen, herrscht sie ihn im gleichen Tonfall an, wie sie mit ihren Bediensteten und Untergebenen spricht.
Roxana lässt Eskandar-Agha noch immer nicht aus den Augen.
Wenn ich doch nur ein Stück Wassermelone hätte, klagt Mahrokh-Khanum, das würde ihr Gemüt abkühlen. Du sollst dich nicht aufregen, das weißt du doch, sagt sie und will Roxana umarmen. Roxana aber stößt sie von sich, noch immer den Blick auf Eskandar-Agha gerichtet.
Ich brauche keine Melone, um mich zu beruhigen. Bitte, verehrter Eskandar-Agha, was haben Sie zu verlieren? Fürchten Sie sich? Sind Sie in Gefahr?
Nein, antwortet Eskandar-Agha. Sie haben recht. Einer wie ich besitzt nichts und hat auch nichts zu verlieren. Und nun bin ich alleine, und nichts mehr ist wichtig. Ich habe einen Fehler begangen, sagt Eskandar-Agha, als ich vor dreißig Jahren auf Mahrokh-Khanum gehört habe. Wie ein Dieb habe ich das Haus des Palang-Khan verlassen und Sie, meine Liebe, zurückgelassen. Aber eines müssen Sie wissen, bei der Seele meiner toten Frau, ich habe niemanden bestohlen.
Aber was hätte ich denn tun
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