Eskandar: Roman (German Edition)
Churchill und seine Kriegsschiffe im Persischen Golf noch sein Embargo können den Willen des iranischen Volkes brechen, schreibt Eskandar-Agha und freut sich über seine kämpferische Sprache.
Bruder, sagt der Mann im Fotogeschäft, wo Eskandar-Agha seine Bilder entwickeln lässt. Für eine Zeitung arbeitest du aber nicht. Die würden so was nicht abdrucken. Hier kann man ja deutlich erkennen, dass die Menschen voll und ganz hinter unserem Premier und seiner Nationalisierung stehen. In deinen Bildern sehe ich die Aufbruchstimmung, die in unserer Stadt herrscht. In den Zeitungen versuchen sie alles das totzuschweigen.
Zufrieden mit sich selbst, verstaut Eskandar-Agha seine Bilder in der Tasche und sagt, wenn du mir einen guten Preis machst, werde ich die nächsten Bilder auch von dir entwickeln lassen.
Bruder, wenn du meinen Rat hören willst, die Aufnahme, in der die Leute das Transparent mit sich führen, würde ich gut verstecken. Heutzutage kann man sich nicht mehr sicher sein, wer einen auf offener Straße anhält und durchsucht.
Freiheit. Frieden, liest Eskandar-Agha die Aufschrift auf dem Transparent. Iranisches Öl dem iranischen Volk. Die Partei der Fleißigen, Zahmat-keshan des iranischen Volkes. Lang lebe Mossadegh.
Wer ist dieser Mann?, fragt der Besitzer vom Fotoladen.
Es ist der Engelissi, Sir Eric Drake, erklärt Eskandar-Agha. Er hat sich der offiziellen Delegation der Regierung in den Weg gestellt und ihr den Zutritt zur Raffinerie versperrt. Und nun kann die Delegation des Premiers die Bücher und Konten der Ölfirma nicht einsehen. Der Engelissi hat gesagt, britische Zerstörer liegen im Golf. Und die Engelissi-Truppen sind in Bereitschaft versetzt. Er hat gesagt, seine Regierung ist jederzeit bereit, in Abadan einzumarschieren und die Raffinerie militärisch zurückzuerobern.
Wenn sie das tatsächlich wagen sollten, sagt der Besitzer des Fotoladens, werde ich meinen Laden schließen und, wenn es sein muss, mit bloßer Hand gegen sie in den Kampf ziehen.
Wo immer Eskandar-Agha auftaucht, sprechen die Menschen von den neuen Freunden des Iran, den Amrikai, und dass deren Präsident, Mister Truman, sich auf die Seite des iranischen Volkes und des verehrten Premiers Dr. Mossadegh gestellt hat. Allerdings möchte Mister Truman, dass der verehrte Mossadegh sich gütlich mit den Engelissi einigt, und warnt davor, sich mit der Sowjetunion und den Kommunisten zu verbünden.
Sogar hier im Süden spricht sich die Nachricht schnell herum, dass die Amrikai Unterhändler zum Premier geschickt haben. Sie sollen ihn daran erinnern, dass es dem Iran ohne die Techniker, Ingenieure, die Technologie und erst recht den Schiffen der Engelissi nicht gelingen wird, die Produktion und den Verkauf ihres Petroleums zu bewerkstelligen. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Iran keinen Gewinn aus dem Petroleum haben wird. Der verehrte Mossadegh aber lässt sich nicht beeindrucken und will in jedem Fall die Souveränität des Iran und die über das Erdöl.
Je länger Eskandar-Agha in Abadan unterwegs ist, fotografiert und mit den Menschen spricht, desto mehr wundert er sich, wie gut seine Landsleute sich mit der Welt und der großen Politik auskennen. Und das, obwohl die Mehrheit noch immer nicht lesen kann.
In einem Teehaus sagt ein Mann mit breitem Grinsen, die Engelissi haben nicht nur die Raffinerie in Abadan und das billige persische Öl verloren. Das Beispiel des Iran wird Schule machen. Sie werden den Suezkanal und ihren Einfluss in den Kolonien verlieren. Und was das bedeutet, weiß ja wohl jedes Kind, sagt der Mann und grinst noch breiter. Die Engelissi werden ihre Vormachtstellung in der Welt einbüßen.
So einfach ist das nicht, mein Freund, sagt ein anderer Mann und zieht seelenruhig an seiner Wasserpfeife, bevor er weiterspricht. Die Engelissi und der Schah werden sich die Nationalisierung niemals gefallen lassen. Das ist der Anfang, mein Freund, sagt der Mann. Wart’s nur ab, der Kampf gegen die Regierung von Mossadegh und ihre Anhänger wird gnadenlos werden.
Bevor Eskandar-Agha wieder nach Teheran zurückfährt, geht er zum Friedhof und fotografiert die vielen frischen Gräber, die in den letzten Wochen und Tagen geschaufelt worden sind. Das Foto einer Frau, die am Grab ihres erschossenen Mannes hockt und weint, klebt Eskandar-Agha in seinen Notizblock und schreibt: Seit das Öl nicht mehr fließt, fließt wieder Blut in den Straßen unserer Heimat.
Wieder in Teheran, muss Eskandar-Agha
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