Eskandar: Roman (German Edition)
ein Kind.
Bitte, Khanum. Ich gehöre nicht hierher, sie werden mich hinauswerfen, ich gehe besser wieder, sagt er, stößt mit seinem Bündel an den Hut einer Frau, die ihr Gesicht verzieht und ihn anfaucht, er soll aufpassen, wohin er seine Füße setzt, wenn er es schon nicht lassen kann, in ein Lokal wie dieses zu kommen.
Eskandar-Agha entschuldigt sich unterwürfig, will sich umdrehen und hinausgehen, stolpert und fällt nur deshalb nicht, weil Roxana ihn stützt. Nun beruhigen Sie sich bitte wieder, raunt Roxana und besteht drauf, dass er bleibt.
Die drei Männer und zwei Frauen, zu deren Tisch Roxana Eskandar-Agha schließlich bringt, sind in ihrem Alter, und erst jetzt fällt Eskandar-Agha auf, dass bisher nicht die Rede von Roxanas Mann gewesen ist.
Obwohl es schon immer so gewesen ist, dass die Frauen seine Gedanken kennen, bevor er selbst auch nur anfängt, sie zu begreifen, erschrickt Eskandar-Agha, als Roxana ihm lachend zuflüstert, keiner dieser Herren ist mein Mann, das sind Freunde, Mitstreiter.
Mitstreiter? Die letzten Mitstreiter, die er gekannt hat, sind die Freunde seiner verstorbenen Frau-Aftab gewesen, und an die hat er keine besonders gute Erinnerung. Genau genommen sind diese Mitstreiter sogar nicht ganz unschuldig an ihrem Tod.
Liebe Freunde, sagt Roxana, darf ich vorstellen, mein Freund, mein Mentor, mein Ziehvater, der verehrte Agha-Eskandar, sagt sie, und man sieht ihr an, dass sie selber über diese pompöse Vorstellung am meisten verwundert ist.
Als Roxana erfährt, dass er eine Kamera dabeihat, besteht sie darauf, dass er Fotos von ihr und ihren Freunden macht. Und dann will sie ein Foto von sich und Eskandar-Agha. Das erste Foto, auf dem Sie und ich gemeinsam zu sehen sind, sagt sie, und Tränen schießen in ihre Augen.
Wir alle hier, die an diesem Tisch sitzen, erklärt einer der Männer, haben Arbeit, Geld und große Häuser. Wir haben im Ausland studiert, viele Bücher gelesen und die Welt gesehen, aber wenn es um unsere eigene Heimat geht, sind wir unerfahren und unwissend. Erzählen Sie, sagt der Mann gönnerhaft. Unsere hübsche Roxana sagt, Sie kennen sich aus mit dem Iran und den Menschen in den Dörfern. Erzählen Sie uns etwas von der Anfangszeit des Naft.
Zuerst ist es Eskandar-Agha unangenehm, vor den Fremden zu sprechen, aber dann erinnert er sich daran, dass er früher vor Hunderten und sogar Tausenden fremder Leute gesprochen hat, und er fängt an zu erzählen, und am Ende will er gar nicht mehr aufhören damit.
Ihre Geschichten habe ich schon immer geliebt, sagt Roxana zum Abschied und drückt Eskandar-Agha die Farangi-Scheine aus der Brieftasche von Mahrokh-Khanum in die Hand. Nehmen Sie, flüstert Roxana. Sie hat so viel davon, sie wird nicht einmal merken, dass es weg ist.
Für schlechte Zeiten, schreibt Eskandar auf den Umschlag, in dem er das Geld verstaut. Aber jedes Mal, wenn er den Umschlag sieht, stößt es ihm auf, und er kommt sich vor wie ein Betrüger. Schließlich hat er das Geld nicht verdient. Also beschließt er, es in persisches Geld zu tauschen, auch wenn er noch keine Ahnung hat, wofür er es ausgeben kann. Ich werde mir selber etwas Schönes davon kaufen, notiert er; oder eine kleine Reise machen; oder dem Nachbarjungen Hossein einen Teil davon schenken.
Damit die Geldwechsler im Basar und andere, die ihn zufällig sehen, nicht auf falsche Gedanken kommen und denken, Eskandar-Agha hat das ausländische Geld gestohlen, teilt er es in kleinere Beträge auf und geht zu unterschiedlichen Wechslern, erreicht damit aber genau das Gegenteil von dem, was er bezweckt hat, und zieht eine Menge Aufmerksamkeit und Argwohn auf sich.
Er ist beim fünften oder sechsten Händler, der die Scheine dreht und wendet und ihn skeptisch ansieht. Hat mein Kollege keinen guten Kurs gegeben? Haben Sie noch mehr von diesem Geld? Sind Sie selber in Farang gewesen, oder haben Sie das Geld von jemandem bekommen? Was haben Sie vor mit dem Haufen Geld? Es etwa unter die Leute verteilen, damit sie auf unseren Straßen Parolen ausrufen, die die Farangi ihnen ins Ohr flüstern?
Bevor Eskandar-Agha begreift, wovon der Geldwechsler spricht, stehen drei auffällig uniform gekleidete Männer hinter ihm. Zwei packen ihn wortlos an den Armen, zerren ihn in einen nahe gelegenen Hauseingang und verpassen ihm erst einmal ein paar Ohrfeigen, bevor der dritte, der bisher nur zugesehen hat, sagt: Rede.
Wer seid ihr? Was wollt ihr von mir?, stammelt Eskandar-Agha, benommen von den
Weitere Kostenlose Bücher