Eskandar: Roman (German Edition)
sein. Vor allem vor den Kommunisten fürchtet er sich. In seiner Rede zum Amtsantritt hat er gesagt, er wird einen Kreuzzug gegen den Kommunismus führen.
Agha, ich danke Ihnen von Herzen für Ihr Vertrauen, aber bitte glauben Sie mir, Sie verschwenden Ihre kostbare Zeit.
Erinnere ich mich recht?, fragt der Student. Sie sind es doch gewesen, der gesehen hat, wie das erste Naft aus dem Boden unserer Heimat geschossen kam. Ich weiß noch, wie Sie wieder und wieder gesagt haben, es ist ein Anblick gewesen, den Sie nie mehr vergessen werden. Einmal sagten Sie sogar, in Ihren Adern fließt kein Blut, sondern Naft.
Für einen Augenblick hellt die Miene von Eskandar-Agha sich auf, und er lächelt sogar.
Sehen Sie?, sagt der Student. Unser Naft, unser nationales Eigentum, ist in Gefahr.
Ich durchschaue Sie, sagt Eskandar-Agha. Aber dieses Mal werden Sie mich nicht überzeugen können. Außerdem ist unser Naft vom ersten Moment seines Bestehens an in Gefahr gewesen, damit können Sie mich schon gar nicht ködern.
Die Amrikai sind der Meinung, der Iran ist zu schwach, um seinen nationalen Reichtum gegenüber den kommunistischen Nachbarn, den Shorawi, zu verteidigen, sagt der Student.
Das ist doch das alte Spiel, früher haben es die Engelissi gespielt, heute die Amrikai. Sie behaupten, dass die Russi in unser Land einmarschieren wollen, also wollen sie ihnen zuvorkommen. Das ist doch lächerlich, schimpft Eskandar-Agha und versucht, sich abermals höflich am Studenten vorbeizuschieben.
Statt beiseitezutreten, legt der Student ihm den Arm auf die Schulter und geht mit ihm.
Wo wohnen Sie eigentlich? Etwa hier in dieser noblen Gegend? Oder besuchen Sie nur jemanden?
Nein, mein Herr, wo denken Sie hin, lügt Eskandar-Agha. Ich und hier leben? Ich bin nur zufällig hier.
Da habe ich ja doppeltes Glück, Sie zu treffen, sagt der Student und betrachtet Eskandar-Agha skeptisch.
Als er schon das Tor zum Haus von Roxana-Khanum sieht, will der Student endlich seinen Versuch aufgeben, Eskandar-Agha dafür zu gewinnen, wieder für ihn zu arbeiten, da streckt die kleine Sahra den Arm aus, deutet auf das Tor und sagt lächelnd, nach Hause.
Eskandar-Agha zuckt zusammen und auch der Student stutzt einen Augenblick, lässt sich aber nichts anmerken und läuft stattdessen weiter neben Eskandar-Agha her.
Seelenruhig geht Eskandar-Agha auf das Tor zu und daran vorbei, gibt Sahra, um sie abzulenken, ein Stück Brot und hört dem Studenten weiter zu, der von John Foster Dulles erzählt, der neuer Außenminister der Amrikai werden soll, und dessen Bruder Allen, der Leiter der CIA, der geheimen Polizei der Amrikai, sein wird.
Bei den Amrikai ist es anders als bei uns, erklärt der Student. Der Außenminister und der Chef des Geheimdienstes sind beinah mächtiger als der Präsident. Und für die Brüder Dulles ist die Welt in Ost und West, in demokratisch und kommunistisch aufgeteilt, sagt der Student und wiegt in seinen Händen unsichtbare Gewichte. Die beiden Brüder sehen es als ihre persönliche Herausforderung an, den Krieg der Ideologien zu führen und zu gewinnen. Das habe ich in einer Amrikai-Zeitung gelesen, sagt der Student und grinst.
Dann sind es vielleicht doch nicht nur Gerüchte, was die Leute im Brotladen erzählen, sagt Eskandar-Agha leise.
Was haben Sie gehört?, erkundigt sich der Student.
Eskandar-Agha sieht sich um und spricht leise. Die Leute erzählen, Agenten der Engelissi geben gewissen Brüdern mit dem Namen Rashidian riesige Summen Geld. Diese bezahlen Händler und Handwerker, Mullah und Akhund im Basar, und sogar die edlen und angeblich unbestechlichen Pahlewan in den Krafthäusern und auch Leute aus der reichen und feinen Gesellschaft, damit sie Stimmung gegen Mossadegh machen, auf die Straße gehen und gegen ihn demonstrieren.
Das sind nicht nur Gerüchte, das ist tatsächlich so, sagt der Student leise. Den Farangi ist jedes Mittel recht, um das iranische Petroleum zu behalten und zu verhindern, dass Mossadegh seine Reformen durchführt. Deswegen wollen sie ja auch verhindern, dass der Premier die Rolle des Königs auf die eines repräsentativen Monarchen reduziert. Dann nämlich könnten die Engelissi den König nicht mehr als ihr Werkzeug benutzen.
Natürlich, flüstert Eskandar-Agha. Damit sie ihn kontrollieren können, muss er Macht haben. Ein König ohne die absolute Macht hat keinen Nutzen für die Farangi.
Sie sagen es, mein Freund, antwortet der Student, zufrieden mit sich selbst, weil er es
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