Eskandar: Roman (German Edition)
sagen.
Haben Sie zufällig mitbekommen, ob der Amerikaner von einem gro ßen, eleganten Wagen abgeholt worden ist?, fragt der Student.
Sie meinen das Königsauto, antwortet Eskandar-Agha einsilbig.
Das Königsauto? fragt Roxana.
So nennen die Männer das schwarze Automobil, sagt Eskandar-Agha. Es ist lachhaft, sagt der Student bitter. Der König hat seine Königskarosse geschickt, um Roosevelt in den Palast abholen zu lassen. Der versteckt sich auf der Rückbank unter einer Decke und denkt doch tatsächlich, niemand würde ihn bemerken. Als wären der Fahrer, die Wachen und alle anderen blöd.
Ein König, der Herrscher über das große Persien, verrückt Tische, betreibt ein lächerliches Versteckspiel, bespricht in aller Ruhe mit einem Agenten der Amrikai, wie sie den Premier des Landes stürzen können. Das ist -
Eine ungeheuerliche Beleidigung, fällt Eskandar-Agha seiner Roxana ins Wort.
Die unterschätzen uns, sagt der Student. Die wissen nicht, dass, wenn wir Iraner eine Stärke haben, dann ist es die, Versteckspiele zu durchschauen.
Jedenfalls hat dieser Mister Roosevelt gute Nerven, sagt Eskandar-Agha. Er geht seelenruhig draußen spazieren, fährt mit normalen Taxen und guckt sich die Demonstrationen und die Arbeit seiner Agenten an, der isst in öffentlichen Lokalen und spielt sogar Tennis.
Meine Vorgesetzten wird es freuen, wenn ich ihnen morgen die neuen Informationen überbringe, sagt der Student und lacht.
Abfällig sieht Eskandar-Agha den Studenten an und legt sich im Geiste bereits den Text zurecht, den er gleich notieren wird: Ich mag ihn, formuliert Eskandar-Agha, oder noch besser: Ich habe den Studenten gemocht, aber meine Sympathie für ihn wird umso geringer, je mehr er sich aufspielt und wichtigtut. Schließlich ist er nur ein kleiner Büroangestellter. Er erntet Lorbeeren für Informationen, die ich, jawohl ICH, ihm bringe, und zwar, indem ich mein Leben aufs Spiel setze.
Vielleicht werden Sie sogar eine finanzielle Anerkennung dafür bekommen, sagt Roxana.
Vielleicht, erwidert der Student grinsend.
In diesem Fall wäre es natürlich sehr anständig, wenn unser verehrter Eskandar-Agha auch an dieser Anerkennung beteiligt würde, sagt Roxana.
Masha-allah, alle Achtung, das hat gesessen, denkt Eskandar-Agha.
Der Student mustert Roxana-Khanum und kratzt sich am Kopf, als hätte sie in einer ihm fremden Sprache gesprochen.
Khanum, sagt Eskandar-Agha, ich bin ja froh, wenn keiner weiß, welch schreckliche Arbeit ich seit Neuestem gezwungen werde zu tun. Und das Geld? Ich weiß nicht, das ist kein sauberes Geld, es bringt kein Glück. Nein, sagt Eskandar-Agha voller Genugtuung. Ich verzichte.
Beflügelt durch diesen kleinen Triumph, fällt es Eskandar-Agha am nächsten Tag leichter, wieder in das Haus des Amrikai zurückzugehen, auch wenn die Aufregung und Anspannung und auch die Gefahr für ihn täglich größer werden.
Mossadegh hat Lunte gerochen, reden die Männer durcheinander, als Eskandar-Agha sein Fahrrad durchs Tor schiebt. Der Premier weiß, dass ein Staatsstreich gegen ihn geplant ist. Er führt ein Referendum durch, mit dem er über die Auflösung des Parlaments abstimmen lassen will.
Das ist gut, murmelt Eskandar-Agha, stellt sein Fahrrad ab und malt sich bereits aus, wie der Amrikai nun aufgeben wird und er und seine zweifelhaften Freunde samt ihren Geräten und Telefonen aus diesem Haus und seinem Land verschwinden werden und er selbst endlich wieder zu seinem ruhigen Leben zurückkehren kann.
Doch der Sturm legt sich genauso schnell, wie er gekommen ist. Denn soweit Eskandar-Agha versteht, hat Mister Eisenhower, der Präsident der Amrikai, dem König, Mohammad-Resa-Schah, die folgende Nachricht zukommen lassen: Ich wünsche Seiner königlichen Majestät viel Glück. Wenn die Zusammenarbeit der Pahlawis und Roosevelts dieses kleine Problem nicht lösen kann, dann gibt es nirgends eine Hoffnung. Ich habe volles Vertrauen, dass Sie es lösen.
Wollen Sie sagen, die Leute lassen ihre geheimen Nachrichten offen herumliegen?, fragt Roxana-Khanum erstaunt, als Eskandar-Agha ihr am Abend die Nachricht aus dem Gedächtnis aufsagt.
Khanum, Sie unterschätzen mich, antwortet Eskandar-Agha voller Stolz. Schließlich habe ich mir bereits als kleiner Junge die gesammelten Worte des Propheten, den Koran, von Anfang bis Ende merken müssen, und zwar auf Arabisch. Da werde ich wohl imstande sein, mir vier Zeilen zu merken, die ein Präsident gesprochen hat.
Aber wie sind Sie
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