Eskandar: Roman (German Edition)
uns an Erdendasein noch bleibt.
Eigentlich würde Eskandar-Agha dem Studenten gerne von dem Schuss erzählen, der ihn beinah das Leben gekostet hätte, aber dann denkt er, jetzt oder nie, und sagt, verehrter Bruder, Roxana-Khanum ist für mich wie eine Tochter, wie eine Schwester. Ich war da, als sie geboren wurde, und ich habe sie großgezogen, bis ihre Ziehmutter Mahrokh-Khanum sie mir weggenommen hat.
Ich verstehe, sagt der Student und lächelt nicht mehr.
Soweit ich weiß, besitzen Sie bereits eine Frau und eine Tochter.
Ohne zu zögern, als hätte er gewusst, dass Eskandar-Agha ihn darauf ansprechen würde, sagt der Student, ich habe das Gefühl, Sie glauben mir nicht, dass meine Frau einen anderen Mann gefunden, oder der andere Mann sie gefunden hat. Jedenfalls ist sie mit meinem Kind nach Farang gegangen. Das ist eine Ewigkeit her, und ich habe nichts mehr von ihr gehört.
Das tut mir leid, sagt Eskandar-Agha genauso ernst wie der Student.
Mir tut es nur um mein Kind leid, antwortet der Student und lächelt jemandem zu, der hinter Eskandar-Agha in der Tür steht.
Mir auch, sagt Roxana, die, unbemerkt von Eskandar-Agha, scheinbar schon länger in der Tür gestanden hat.
Eskandar-Agha überlegt noch, was er jetzt Kluges sagen könnte, da kommen zwei Kollegen lachend ins Zimmer. Der verehrte Mossadegh hat das Dekret des Königs, dass der Premier sein Amt niederlegen soll, tatsächlich abgezeichnet, sagen die beiden. Und darunter hat er notiert: Ich werde es in Erwägung ziehen.
Der Student erhebt sich, geht um den Tisch herum zu Eskandar-Agha und reicht ihm die Hand. Sie können mir vertrauen und sich auf mich verlassen.
Er weiß nicht, warum, aber plötzlich treten Eskandar-Agha Tränen in die Augen, und statt die Hand des Studenten zu schütteln, steht er auf und schließt ihn in die Arme und küsst ihn rechts und links väterlich auf die Wange.
Die Nachricht von der gescheiterten Militäraktion, mit der König Mohammad-Resa und die Farangi-Besatzer versucht haben Mossadegh zu entmachten und zu verhaften, ist binnen weniger Stunden in der gesamten Stadt bekannt. Nicht nur in der Hauptstadt, im ganzen Land gehen noch mehr Menschen auf die Straße und demonstrieren für ihren gewählten Premier und seine Regierung.
Aber selbst jetzt geben die Amrikai nicht auf. Sie bezahlen noch mehr Menschen und organisieren noch mehr Gegendemonstranten.
Es kommt zu so vielen Zusammenstößen, Schlägereien und Toten, dass die Anhänger des Premiers ihn immer lauter auffordern, endlich hart durchzugreifen und dem Militär zu befehlen, die Ordnung wiederherzustellen.
Doch Mossadegh bleibt seiner Überzeugung treu und entscheidet sich einmal mehr für den gewaltlosen Weg. Solange die Mehrheit der Bevölkerung auf meiner Seite ist und hinter der Regierung steht, lässt er verkünden, haben wir nichts zu befürchten und werden die Armee nicht mobilisieren.
Genauso gelassen und ruhig und seiner Sache sicher scheint auch der Student zu sein. Denn am nächsten Morgen kommt Eskandar-Agha auf die Veranda, um die Töpfe zu gießen, da sitzt der Student neben Roxana vor dem Haupthaus, und es gibt keinen Zweifel: Er hat die Nacht bei ihr verbracht.
Kommen Sie, ruft der Student, als wäre es sein eigenes Haus, wir wollen uns die Rede des Premiers im Radio anhören.
So war die Versöhnung vom Vortag allerdings nicht gemeint. Nur widerwillig setzt Eskandar sich dazu, allerdings nicht auf einen bequemen Sessel, sondern auf die Stufe. Und er wendet sich demonstrativ vom Studenten ab, damit er ihn nicht sehen muss.
Zuerst ertönt Militärmusik, anschließend kündigt der Sprecher an, der verehrte Premierminister Mossadegh wird gleich eine Ansprache an das Volk halten. Dann kommt der Premier ans Mikrofon: Beeinflusst von ausländischen Elementen, hat der Schah einen Putsch gegen mich und die gewählte und legale Regierung versucht, sagt Mossadegh. Jedoch haben loyale Offiziere mich unterstützt. Gemeinsam haben wir es geschafft, dieses Komplott zu vereiteln. Auf den Kopf des Verräters, General Zahedi, verkündet Mossadegh, ist eine Belohnung ausgesetzt.
In den Nachrichten ist außerdem zu hören, der König hat fluchtartig das Land verlassen. In Bagdad hat er den amerikanischen Botschafter um einen Posten gebeten, weil er im Ausland über kein Geld verfügt. Dann ist er zusammen mit seiner Frau weiter nach Rom geflogen.
Anhänger und Getreue des Monarchen, die nicht über die Mittel und Möglichkeiten verfügen zu fliehen
Weitere Kostenlose Bücher