Eskandar: Roman (German Edition)
Landsleute vor den Farangi blamieren? Was sollen die denn von dir und uns denken?
Richard legt dem Übersetzer die Hand auf die Schulter, please stop calling me a Farangi. Nennen Sie mich nicht Farangi, schließlich bin ich kein Franzmann.
Ich suche Naft, sagt Eskandar, damit du hierbleiben kannst.
Sagen Sie ihm, wir werden ihm bei der Suche helfen, sagt der Kanadier. Siehst du, was du angestellt hast, du Kind des Teufels? Jetzt ist der Farangi auch verwirrt und hat seinen Verstand verloren, schimpft der Übersetzer. Verflucht sei der Tag, an dem du den Weg ins Lager gefunden hast.
Sogar die Hunde machen es Eskandar und dem Kanadier nach, legen sich auf den Boden, stehen auf, schnüffeln, gehen ein Stück, legen sich auf den Boden, schnüffeln. Eskandar und der Farangi lachen, gehen mal schnell, mal langsam, irgendwann, keiner weiß, warum, sagt Eskandar: veery gudgud. Hier ist es. In diesem Loch ist Naft!
Very good, good, ruft der Kanadier. Er packt Eskandar und wirbelt ihn glücklich im Kreis.
Der Übersetzer beißt sich auf die Lippe. Saheb, mit Verlaub. Das ist doch nur ein kleiner Junge, der hat keine Ahnung von gar nichts, noch nicht einmal was Petroleum ist, weiß er.
Richard stemmt die Arme in die Seite, guckt den Übersetzer auf eine Art an, dass der vor ihm zurückweicht und den Kopf einzieht. Sie sagen es. Er ist nur ein kleiner Junge und im Moment kein besonders glücklicher. Also werden wir ihn verdammt noch mal in dem Glauben lassen, wir kaufen ihm ab, dass es hier Naft gibt. Und im Übrigen haben Sie recht, es ist höchste Zeit, dass wir ihm erzählen, was Petroleum ist.
Wir müssen es bewachen, sagt Eskandar.
Der Übersetzer traut seinen Ohren nicht. Auf sein Abendessen hat er bereits verzichten müssen, und es ist schon dunkel. Gegen seinen Willen muss er freundlich sein zu diesem von allen guten Geistern verlassenen Jungen, einem Bastard, der verrückt geworden ist. Jetzt soll er auch noch auf seinen wohlverdienten Schlaf verzichten?
Ich hole Holz und mache ein Feuer, ruft Eskandar und rennt los.
Seht euch diese prächtigen Sterne an, sagt Richard. Hier draußen werden wir wunderbar schlafen.
Saheb, verehrter Saheb, heißt das, Sie haben vor, die ganze Nacht im Freien zu verbringen?
Sie haben doch nicht etwa Angst?, fragt der Farangi, setzt sich zu Eskandar neben das Feuer und sagt, Petroleum ist eine Flüssigkeit, wusstest du das? Petro bedeutet Stein, und PETROleum bedeutet eben das Öl, was die Steine machen, verstehst du? Stell dir vor, du befindest dich in einem riesigen See oder Ozean.
Was ist ein See oder Ozean?
Ein großes Wasser, erklärt der Kanadier und zeigt mit ausgestrecktem Arm in die Wüste. Alles, was du hier siehst, ist einmal unter Wasser gewesen, und große und kleine Fische und winzig kleine Tiere sind darin geschwommen. Sie sind gestorben, auf den Boden des Wassers gesunken und dort zusammen mit toten Pflanzen von Erdrutschen und Ablagerungen bedeckt worden.
Eskandar starrt den Übersetzer an, will fragen, was ein Fisch, eine Ablagerung, ein Erdrutsch ist, traut sich aber nicht.
Aber dann geschieht etwas, das einem Wunder gleichkommt, sagt der Kanadier mit leuchtenden Augen. Diese tote Materie verwandelt sich unter der Last und dem Druck der Steine und Ablagerungen in Erdöl, und im Laufe der Zeit entsteht ein riesiger unterirdischer Speicher davon.
In dem gleichen Tonfall, wie er übersetzt, sagt der Moteardjem, ich warne dich, denk nur nicht daran, auch nur eine einzige Frage zu stellen.
Das erste Petroleum haben vor ungefähr fünfzig Jahren amerikanische Salzbohrer ganz zufällig gefunden, und sie haben entdeckt, dass man es für alle möglichen Zwecke verwenden kann.
Weil Eskandar sich nicht traut zu sprechen, nickt er umso begeisterter und ermuntert damit seinen ausländischen Freund weiterzuerzählen.
Zum Anzünden von Lampen taugt Petroleum viel besser als tierische und pflanzliche Öle und Fette. Schon in Urzeiten haben die Menschen genau hier, in deiner Heimat, Teer gekannt, und angeblich haben sie schon damals Gas angezündet.
Und lass dir ja nicht einfallen zu fragen, was Gas nun wieder ist, warnt der Übersetzer Eskandar und lächelt freundlich.
Die Griechen haben Flammengeschosse aus Petroleum hergestellt und sind ihrem Feind haushoch überlegen gewesen. Andere haben Teer zum Abdichten von Booten benutzt.
Im Geiste sieht Eskandar Krieger, die von fliegenden Flammen getroffen werden, und Menschen, die sich in Holzschalen auf dem Wasser
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