Eskandar: Roman (German Edition)
ein kurzes be-esme-allah, holt aus und schlägt zu. Frau-Rohan knotet, reibt und klopft, bis das Kind wie ein kleines Kätzchen Laute von sich gibt; dann zieht sie seine dünnen Beinchen straff, wickelt es fest in ein Tuch und in ein zweites, schnürt es mit einer Kordel wie ein Bündel zu und legt es auf die Seite. Tajelmoluk gibt noch immer keinen Laut von sich und sieht aus wie die Leute vom Dorf, deren Seele ihren Körper und diese Welt verlassen haben.
Das Kind schluckt und fängt an, wie ein Katzenkind zu schreien.
Sorg dafür, dass es still ist, befiehlt Frau-Rohan.
Eskandar nimmt das Bündel in den Arm und berührt vorsichtig die winzige Nase. Du siehst aus wie eine große Made, flüstert er und legt sich mit dem Säugling in seine Ecke, kehrt der halb toten Tajelmoluk und der schwitzenden Frau-Rohan den Rücken und flüstert: Der Herrgott hat dich mir geschickt, du bist meine Aishe.
Nimm sie mit, sagt Frau-Rohan, als Eskandar am nächsten Morgen zum Unterricht geht, die Frau des Mullah hat selbst einen Säugling zu ernähren, sie soll ihm für ein paar Münzen die Brust geben.
Gib ihr den Namen der Tochter von Prophetmohammad, nenn sie Fateme, sagt der Mullah.
Das geht nicht, das ist der Name meiner toten Schwester. Ich werde sie Aishe nennen.
Der Mullah überlegt, schüttelt heftig den Kopf. Das geht erst recht nicht, verkündet er. Du wohnst mit ihr unter einem Dach, sie ist gewissermaßen deine Schwester, und dieser Name könnte dich auf falsche Gedanken bringen. Nenn sie Massume. Sie ist ebenfalls eine Heilige gewesen.
Das geht nicht. Ich brauche einen Namen, der Kraft hat.
Mehr Kraft, als der Name einer Heiligen hat, gibt es nicht, sagt der Akhund. Lebt sie überhaupt? Sie ist so still.
Sie ist zufrieden, sagt Eskandar und küsst die zarte Stirn seines Mädchens ohne Namen.
Als er nach dem Unterricht in das Zimmer der Mullah-Frau kommt, zieht sie gerade ihre Brustwarze aus dem Mund des Kindes, und es macht ein lautes Schmatzgeräusch. Eskandar hat genug beim Mullah gelernt, um zu wissen, dass es eine Sünde ist, einer Frau, erst recht, wenn sie nicht vollständig verschleiert ist, anzusehen, und kehrt ihr den Rücken zu.
Zerbrich dir nicht deinen Kopf darüber, sagt die Frau des Mullah lachend, Prophetmohammad hat die Brust einer Stillenden zur Ausnahme erklärt und verkündet, es ist keine Sünde, wenn ein Fremder sie zu sehen bekommt.
Das gefällt Eskandar, und er lässt sich extra viel Zeit, um der Mullah-Frau sein Mädchen ohne Namen abzunehmen, genauso wie auch sie sich extra viel Zeit lässt, um ihre wunderschönen Brüste wieder in ihre Kleider zurückzuschieben. Und weil es keine Sünde ist, versucht Eskandar sich diesen wunderbaren Anblick ganz genau einzuprägen, damit er sich an der Erinnerung erfreuen kann, wann immer er ihm danach ist.
Eskandar ist so glücklich über sein kleines Mädchen, dass selbst die Pöbeleien der Jungen, die in der Gasse auf ihn warten, um sich über ihn lustig zu machen, ihm egal sind.
Gewöhn dich nicht zu sehr an das Mädchen, warnt der Mullah, immerhin ist es ein Harumzade-Kind. Ihre Mutter wird sie weggeben müssen, denn mit dem Kind im Haus wird sie nie einen Mann finden. Wer will schon eine Frau, die ein Kind vom Samen eines anderen Mannes geboren hat? Weil Eskandar nichts sagt und einfach nur vor sich hin lächelt, sagt der Mullah, das wirst du verstehen, wenn du größer bist.
Ich bin auch ein Harumzade, sagt Eskandar stolz und geht mit dem Säugling auf dem Arm nach Hause, wo zu Eskandars Überraschung und Freude schon wieder die Droschke des Kanadiers vor der Tür steht.
Girl, sagt Eskandar stolz und zeigt das Kind seinem Farangi-Freund. Der zieht seine staubige Jacke aus, lässt sie auf den Boden fallen, nimmt das Mädchen und drückt es fest an sich, so, als würde sie ihm höchstpersönlich gehören.
So hatte Eskandar sich das allerdings nicht vorgestellt. Und wenn er hundertmal den Unterricht beim Akhund und die Unterkunft bei Frau-Rohan bezahlt, das Kind gehört schließlich nicht ihm. Nach dem Petroleum in seiner Heimat zu suchen ist eine Sache, aber kleine Mädchen einfach so auf den Arm zu nehmen, als gehörten sie einem, das geht zu weit.
Wie geht es seiner Mutter?, fragt der Kanadier.
Eskandar versteht nicht. Wessen Mutter?
Du bist wirklich ein Trottel, sagt der Übersetzer. Er meint die Mutter von diesem Bastard hier.
Woher kennt der Saheb Tajelmoluk? Gib mir mein Mädchen zurück, ruft Eskandar schrill und reißt sie dem
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