Eskandar: Roman (German Edition)
was wir tun.
Ihr Sohn Alexander.
Tage und Wochen sprechen Eskandar-Agha und Roxana-Khanum nicht miteinander. Beide geben dem anderen und dem Kind des anderen die Schuld. Eskandar-Agha überlegt, das Haus von Roxana-Khanum zu verlassen, sie überlegt, ihn hinauszuwerfen.
Am Ende aber ist es ihr gemeinsames Leid über den Verlust ihrer Kinder, der sie wieder versöhnt und vereint.
Beinah auf den Tag genau vier lange und schmerzvolle Jahre nach dem Verschwinden der beiden erhalten sie ein erstes Lebenszeichen von ihren Kindern.
Früh am Morgen liest Eskandar-Agha in der Zeitung die Namen von Sahra und Alexander.
So schnell er kann, rennt er zum Haupthaus und ruft schon von Weitem, Khanum, Roxana, liebe Khanum, die Kinder, die Kinder.
Mit Lockenwicklern im Haar und nur bekleidet mit einem Morgenmantel, kommt Roxana-Khanum auf die Veranda gestürzt.
Die Kinder?, ruft Agha-Farrokh, der Roxana gefolgt ist und sich suchend umsieht.
Sie sind Schriftsteller oder Poeten oder Künstler oder so etwas Ähnliches geworden und haben ihre Unterschrift unter einen offenen Brief gesetzt, ruft Eskandar-Agha und wedelt mit der Zeitung. Außer Atem lässt er sich auf die Stufen sinken. Führer der Partei Nationale Front fordern den Schah öffentlich auf, die erste und gültige Verfassung von 1906 zu respektieren und zu befolgen, liest Eskandar-Agha und sagt: Ich bin dabei gewesen.
Das ist die gleiche Forderung, die seinerzeit der verehrte Premier Mossadegh gestellt hat, sagt Agha-Farrokh.
Alarmiert von dem Lärm, taucht nun auch Nimtadj auf, die, obwohl schon Mitte dreißig, noch immer unverheiratet ist und nach wie vor im Haus ihrer Mutter lebt. Was ist? Was ist passiert?
Die Zeitung, die Kinder, sie sind in Gefahr, ein offener Brief an den König, ruft Roxana, sie wedelt sich Luft zu und sucht Halt bei Agha-Farrokh, um nicht umzufallen.
Mutter, bittet Nimtadj, beruhigen Sie sich. Es nutzt niemandem, wenn Sie jetzt ohnmächtig werden.
Khanum, soll ich das Rosenwasser bringen? Oder ein Glas kaltes Wasser?, fragt Eskandar-Agha höflich und ist froh, dass Roxana abwinkt.
Zeigen Sie, bittet Nimtadj, und während sie den Artikel liest, hellt ihre Miene sich auf, und sie grinst. Also haben sie es doch gemacht. Alle Achtung, das nenne ich Mut, rutscht es Nimtadj heraus, und sie zieht den Kopf ein. Aber sie hat Glück, die drei Alten sind viel zu beschäftigt mit ihrer Aufregung, um auf sie zu achten.
Damit jeder von ihnen ein eigenes Exemplar hat, fährt Eskandar-Agha mit dem Rad bis zur nächsten großen Kreuzung und besorgt drei weitere Zeitungen. Aus seiner eigenen trennt er den Artikel fein säuberlich mit der Rasierklinge heraus, bügelt ihn mit seinem alten Kohlebügeleisen und klebt ihn in seinen Notizblock. Mein geliebtes Kind, schreibt er darunter. Ich vermisse dich mit meinem ganzen Herzen, auch wenn es gebrochen ist.
Noch am selben Nachmittag lassen er, Roxana-Khanum und Agha-Farrokh ein Taxi kommen und fahren zu dritt zur Redaktion der Zeitung, die den Artikel abgedruckt hat. Sie hoffen, der Verfasser des Artikels kann ihnen helfen, Sahra und Alexander ausfindig zu machen.
Doch zuerst will niemand wissen, wer den Artikel verfasst hat, und die drei Alten werden für Agenten gehalten; dann flüstert ihnen jemand den Namen des Verfassers zu, der aber bis zum Abend nicht auftaucht. Am nächsten Tag versuchen Eskandar-Agha, Roxana-Khanum und Agha-Farrokh es wieder. Stundenlang hocken sie im dunklen Flur des Redaktionshauses, bis ihnen schließlich jemand steckt, wo sich das geheime Büro der Partei Nationale Front befindet.
Es dauert über eine Stunde, bis sie ein Taxi bekommen. Der Fahrer mustert sie mitleidig, weigert sich aber, auch nachdem er ihre traurige Geschichte gehört hat, sie ans andere Ende der Stadt zu fahren. Es ist gefährlich, nach Einbruch der Dunkelheit einfach so in der Gegend herumzufahren. Die Versorgungslage ist schlecht. Die Preise steigen, und die Leute besitzen kein Geld. Sie haben Hunger und wissen sich nicht mehr anders zu helfen, als sich gegenseitig zu überfallen und auszurauben.
Selbst als Roxana-Khanum ihm das doppelte Fahrgeld anbietet, weigert der Fahrer sich. Khanum, was habe ich von dem Geld, wenn es mir gleich wieder abgenommen wird? Ich werde Sie jetzt zurückbringen und anschließend selbst nach Hause fahren.
Immerhin lässt er sich darauf ein, die drei am nächsten Morgen abzuholen und zu der Adresse zu fahren.
Bereits um acht Uhr morgens, eine halbe Stunde vor der
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