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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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Jahre habt ihr es ausgehalten, sie nicht zu sehen, sagt Nimtadj. Ich bitte euch, macht nicht alles kaputt. Auf ein paar Tage kommt es jetzt auch nicht mehr an.

1977, eine kalte Nacht im November
     
    Obwohl Nimtadj eigentlich nicht gerne selber Auto fährt, erst recht nicht, wenn es dunkel ist, und schon gar nicht die alte, schwere Limousine ihrer Mutter, besteht sie darauf, aus Sicherheitsgründen kein Taxi zu mieten.
    Erinnert ihr euch an diese Vereinigung von Schriftstellern, die Eskandar-Agha vor ein paar Monaten in der Zeitung entdeckt hat?, fragt Nimtadj, während sie vorsichtig das Auto zum Tor hinausmanövriert. Sie führen Lesungen durch, Dah Shab oder Zehn Nächte, die von einer Almani-Kultureinrichtung veranstaltet werden. Am Ende jeder Lesung gehen überall in der Stadt Schriftsteller, Filmemacher, Intellektuelle und Studenten auf die Straße und fordern das Ende der Zensur.
    Und dort werden wir sie treffen?, fragt Eskandar-Agha angespannt.
    Dort werden wir sie treffen, antwortet Nimtadj grinsend.
    Obwohl sie über eine Stunde zu früh im Goethe-Institut ankommen, ist der Raum bereits bis zum letzten Platz gefüllt, sogar an den Wänden entlang stehen die Leute dicht an dicht.
    Tut mir leid, sagt eine Almani in Persisch mit Akzent und stellt sich Nimtadj und den drei Alten in den Weg.
    Roxana-Khanum wird blass und will schimpfen und sich an der Frau vorbei in den Saal hineindrängeln.
    Mutter, bitte, raunt Nimtadj, schiebt ihre Mutter beiseite und spricht mit der Deutschen, die den Eingang weiterhin versperrt. Immerhin hört sie Nimtadj aufmerksam zu, nickt, sieht Eskandar-Agha und Roxana-Khanum an, sagt etwas, nickt, schüttelt den Kopf, lächelt, schüttelt wieder den Kopf, bis sie schließlich nach einem Almani-Mann winkt und nun ihrerseits auf ihn einredet.
    Roxana-Khanum fächelt sich mit der Hand Luft zu, lehnt sich an ihren Agha-Farrokh und macht den Eindruck, als würde sie jeden Moment umfallen.
    Mutter, bitte, flüstert Nimtadj. Wenn Sie wirklich hineingelassen werden wollen, dürfen Sie jetzt unter keinen Umständen ohnmächtig werden, da verstehen die keinen Spaß. Haben Sie begriffen?
    Khanum, bitte, die liebe Nimtadj hat recht. Ich kenne die Farangi, flüstert Eskandar-Agha, das sind sehr ernsthafte Menschen.
    Bitte, sagt die Almani schließlich mit strenger Miene und gewährt Nimtadj und ihren drei Alten Einlass.
    Wo sind sie?, fragt Eskandar-Agha, nachdem sie sich auf Plätze in den hinteren Reihen setzten, die für sie frei gemacht worden sind.
    Du hättest uns Plätze in den vorderen Reihen organisieren sollen, flüstert Roxana-Khanum, während sie den Kopf reckt und streckt, um die Bühne sehen zu können.
    Nimtadj ignoriert die Bemerkung und trocknet sich den Schweiß ihrer Hände an ihrem Rock.
    Einer nach dem anderen kommen Frauen und Männer auf die Bühne halten eine Rede, lesen, beantworten Fragen. Die Luft im Saal wird hei ßer und stickiger, und die Diskussionen und Fragen werden angespannter, bis schließlich Sahra auf die Bühne tritt. Sie steht da, lächelt und rückt ihre Brille zurecht.
    Im gleichen Moment zuckt Eskandar-Agha und hält sich die Brust. Mein Herz, murmelt er, und Tränen laufen über sein Gesicht. Und da tut Roxana-Khanum etwas, was sie, wenn überhaupt, nur als kleines Mädchen getan hat. Sie streicht Eskandar-Agha über den Kopf, hakt sich bei ihm unter, lehnt ihren Kopf an seine Schulter und weint mit ihm.
    Für meinen nächsten Text möchte ich meinen verehrten und geliebten Mann bitten, zu mir auf die Bühne zu kommen, sagt Sahra lächelnd, geht zum Rand der Bühne, streckt die Hand aus und kommt mit Alexander wieder zur Bühnenmitte zurück.
    Roxana-Khanum stößt einen leisen Schrei aus, ein paar Leute drehen sich nach ihr um, beachten sie aber nicht weiter. Roxana zittert am ganzen Körper. Mit einer Hand krallt sie sich an den Arm von Eskandar-Agha, mit der anderen an den von Agha-Farrokh.
    Nachdem Sahra und Alexander ihre Texte vorgelesen haben, meldet sich eine Frau aus dem Publikum zu Wort. Die Regierung zahlt den Mullah keinen Lohn mehr, sagt sie. Aus elftausend Moscheen im Land ertönen Parolen gegen den Schah, und die Studenten und Intellektuellen sind immer an vorderster Front. Warum wird diese massive Bewegung Ihrer Meinung nach sowohl von der CIA als auch vom SAVAK ignoriert?, fragt die Frau und setzt sich.
    Das ist eine gute Frage, antwortet Sahra mit einem Selbstbewusst sein, das Eskandar-Agha vollkommen fremd ist. Sahra blickt suchend

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