Eskandar: Roman (German Edition)
er und hält den drei alten Herrschaften die Tür zu seinem Taxi auf.
Der stinkt nach Schweiß und hat Käsefüße, flüstert Roxana-Khanum, eingequetscht zwischen Eskandar-Agha und Agha-Farrokh.
Ich mag ihn auch nicht, flüstert Eskandar-Agha, als sie an einem Stra ßenstand haltmachen, frisch gepressten Karottensaft trinken und auf den Taxifahrer warten, der in einer Telefonzelle steht und telefoniert.
Dann bin ich wohl der Einzige, der ihn mag, sagt Agha-Farrokh und lächelt zufrieden, trinkt sein Glas in einem Zug leer und bestellt gleich noch eins.
Der ist ein bisschen zu neugierig, raunt Eskandar-Agha, und er stellt für meinen Geschmack zu viele Fragen.
Und Sie beantworten auch noch jede seiner Fragen akkurat und ausführlich, schimpft Roxana-Khanum mit Agha-Farrokh. Wir müssen doch wirklich nicht jedem auf die Nase binden, dass Sie im Büro des geächteten Mossadegh angestellt gewesen sind.
Sobald Nimtadj von den Befürchtungen der drei erfährt, verbietet sie ihnen, das Haus zu verlassen oder sich überhaupt noch einmal mit diesem Fahrer auf den Weg zu machen. Und als hätten die Wände Ohren und würden alles direkt weiter zum Geheimdienst leiten, flüstert Nimtadj: Wenn euer Verdacht sich bewahrheiten sollte und dieser Kerl wirklich vom SAVAK ist, setzt ihr damit nicht nur euer eigenes und mein Leben, sondern vor allem das von Sahra und Alexander aufs Spiel.
Wenn sie überhaupt noch am Leben sind, flüstert Roxana-Khanum und bricht sofort in Tränen aus und steckt mit ihrem Schluchzen auch wieder die anderen an, und so hocken die drei Alten wie so oft beisammen und weinen und klagen.
Hört auf mit eurem Roseh-Khani, bittet Nimtadj. Das kann keiner mit ansehen.
Doch Eskandar-Agha, Roxana-Khanum und Agha-Farrokh lassen sich nicht beruhigen, und nun bekommt auch Nimtadj feuchte Augen.
Sie leben, sagt sie. Macht euch keine Sorgen, sie leben.
Plötzlich hören alle auf zu weinen, starren Nimtadj an.
Nimtadj starrt die drei Alten an, schluchzt und bricht erneut in Tränen aus und hört nicht mehr auf zu weinen. Während sie nach Luft schnappt und hustet, sich schnäuzt und rot anläuft und Roxana-Khanum Angst bekommt, dass ihre Tochter erstickt, erklärt Nimtadj, dass sie es leid ist, die Hüterin von Lügen und Geheimnissen zu sein. Und damit eröffnet sie den staunenden Alten, dass sie von Anfang an und in all den Jahren mit Sahra und Alexander in Verbindung gestanden hat.
Was sollte ich denn machen?, fragt sie weinend. Sie haben mich gezwungen, beim Leben aller, die ich liebe, euch nichts zu erzählen.
Gott sei Dank, murmelt Eskandar-Agha unter Tränen. Ich habe immer gespürt, dass sie wohlauf sind. Ich habe es gespürt.
Roxana-Khanum dagegen holt aus, will Nimtadj eine runterhauen, beherrscht sich aber gerade noch und schimpft, wie hast du es übers Herz gebracht, mir das anzutun?
Während Nimtadj schuldbewusst zu Boden starrt und lautlos weiterweint, tut Agha-Farrokh etwas, was er noch nie getan hat, er legt seinen Arm schützend um die Schulter von Nimtadj und spricht ruhig und bestimmt. Roxana-Khanum, sagt er, das ist nicht gerecht. Soweit ich die Lage beurteilen kann, hat die liebe Nimtadj ihre eigenen Wünsche und ihr eigenes Leben vernachlässigt, um hier bei ihrer Mutter zu sein und sie mit ihrem Leid nicht alleinzulassen. Schon allein dafür schulden Sie und schulde ich ihr, schulden wir alle ihr tiefen Dank. Und was Alexander betrifft, nun, welche Wahl hatte Ihre Tochter? Nimtadj musste entweder Ihnen oder ihrem Bruder in den Rücken fallen. Ich jedenfalls bin froh, dass Nimtadj zu Alexander gehalten hat.
Und warum hast du jetzt dein Schweigen gebrochen?, fragt Roxana, noch immer wütend.
Wegen dem, was Eskandar-Agha neulich gesagt hat, schluchzt Nimtadj. Weil er gesagt hat, dass er sein Verhalten bereut. Wieder bricht Nimtadj in Tränen aus. Und weil ich endlich mein eigenes Leben führen will, statt immerzu ein Auge auf meinen kranken Bruder, seine Frau und ihr Kind zu haben, und auch, weil ich es leid bin, immerzu auf drei alte Menschen achtgeben zu müssen.
Ihr Kind?, ruft Roxana-Khanum.
Ich bin Großvater?, ruft Eskandar-Agha.
Ich bin Großmutter und weiß nichts davon? Möge Gott mir zu Hilfe kommen, klagt Roxana-Khanum und schlägt die Hand vor den Mund.
Bitte, bring mich zu meiner Tochter, bitte, liebe Nimtadj. Hab Erbarmen mit einem alten Mann, klagt Eskandar-Agha.
Ich will zu meinem Sohn, ruft Roxana-Khanum und klammert sich an den Arm ihrer Tochter.
So viele
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