Eskandar: Roman (German Edition)
wir hatten Glück, scheinbar hat die Kaiserin höchstpersönlich sich für uns eingesetzt.
Der Kerl, der uns verhört hat, hat gesagt, die Kaiserin konnte sich an Sahras flammende Rede erinnern, sagt Nimtadj.
Trotzdem bin ich in diesen Tagen ein anderer Mensch geworden, sagt Sahra und starrt müde vor sich hin. Ich muss es Alexander erzählen, sagt sie, setzt sich hinter seine Zimmertür auf den Boden und fängt an zu erzählen und spricht so lange, bis er die Tür öffnet und sie hineinlässt.
Nur wenige Wochen später sitzen Eskandar-Agha, Roxana-Khanum, Agha-Farrokh, Nimtadj, Sahra und sogar Alexander vor dem Fernseher und sehen stumm und traurig zu, wie die jungen Frauen und Männer, die das Attentat auf den Herrscher verübt haben, in einem beispiellosen Schauprozess verurteilt werden.
Bereut ihr eure Tat?, fragt der Richter.
Die jungen Frauen und Männer stehen mit gesenktem Haupt in einer Reihe. Manche haben Tränen in den Augen, als sie leise sagen: Ich bereue.
Nur ihr Anführer, ein stolzer junger Mann in schwarzem Rollkragenpullover, hebt den Kopf und spricht klar und deutlich. Ich bereue nicht, sagt er. Es herrscht Totenstille, dann geht ein Raunen durch den Saal, dann verschwindet das Bild.
Erst an diesem Abend rücken Nimtadj und Sahra nach und nach damit heraus, was sie in den drei Tagen ihrer Haft im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses gesehen und erlebt haben.
Gott ist mein Zeuge. Ich bin kein politischer Mensch gewesen, sagt Sahra, aber seit ich in Evin war, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich gegen den Schah und seine Mörderdiktatur zu engagieren. Das bin ich den Mädchen und Frauen schuldig, deren Schreie ich gehört habe, weil ihnen Haare und Nägel ausgerissen wurden, weil ihnen die Haut verbrannt wurde, weil sie in Isolationshaft blau und grün geschlagen und ihnen die Knochen gebrochen wurden, weil sie brutal vergewaltigt wurden, bevor man sie hingerichtet oder regelrecht abgeschlachtet hat.
Sahra liest verbotene Texte, trifft sich mit politisch aktiven Studenten und verteilt Flugblätter, auf denen die Ungerechtigkeiten des Schah an den Pranger gestellt werden.
Als im Jahr 1971 Mohammad-Resa-Schah zum 2500-jährigen Bestehen des iranischen Königreichs eine Feier veranstaltet, arbeiten Nimtadj und Sahra mit der CISNU zusammen, einer internationalen Studentenorganisation, die Vertreter in vielen Ländern hat. Sie wollen die eingeladenen ausländischen Staatsoberhäupter davon überzeugen, der Feier des Kaisers von Persien fernzubleiben und damit ein Zeichen zu setzen gegen die brutale Verletzung der Menschenrechte im Iran.
Wir haben nichts erreicht, flüstert Sahra leise durch die Tür zu Alexander. Angefangen vom amerikanischen Präsidenten Nixon bis zum deutschen Kanzler sind sie alle gekommen. Die Könige der arabischen Welt, die britische Königin und Führer anderer Regierungen und Königshäuser sind gekommen, sagt Sahra.
Alexander öffnet die Tür, lächelt sie an und sagt, gehen wir, das Spektakel wird im Fernsehen gezeigt. Wir wollen es uns zusammen ansehen.
Dankbar sieht Sahra Alexander an, und sie gehen zusammen zum Rest der Familie, die bereits den Apparat eingeschaltet haben und gebannt davor sitzen.
Die Feierlichkeiten in den Ruinen von Takhte-Jamshid oder Persepolis, wie die Farangi den Sitz der persischen Kaiser in der Nähe von Schiras nennen, könnten prächtiger und aufwendiger nicht sein, sagt der Sprecher.
Und das iranische Volk darf den Zirkus im Fernsehen verfolgen, sagt Agha-Farrokh und hebt demonstrativ seine Zeitung vors Gesicht weil ihm keiner zuhört.
Habt ihr es auch mitbekommen?, fragt Roxana-Khanum und sofort richten sich alle Blicke auf sie und alle hören ihr interessiert zu.
Es kursieren Gerüchte, sagt sie schmunzelnd, der Schah will den islamischen Kalender abschaffen und einen neuen königlichen Kalender einführen.
Wo haben Sie das nun wieder her?, fragt Farrokh-Agha. Roxana-Khanum grinst und antwortet, das letzte Mal saß beim Friseur eine Frau, deren Mann im Palast arbeitet, die hat es erzählt.
Farrokh-Agha legt seine Zeitung beiseite. Aber damit würde die iranische Zeitrechnung einen Sprung von zwölfhundert Jahren machen, und wir würden im Jahr 2500 landen, sagt er und ärgert sich, weil er einmal mehr zugeben muss, seine Roxana hat schon wieder die interessantere Geschichte.
Die Suppe werden die islamischen Geistlichen ihm schon noch versalzen, sagt Roxana-Khanum und wendet sich wieder dem Fernseher zu.
Auch wenn es ihm
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