Eskandar: Roman (German Edition)
demnächst werden ihre Gewinne sogar noch größer werden. Noch transportieren wir das Petroleum in kleinen quadratischen Kanistern, die wir hier vor Ort und mit einfachen Maschinen herstellen. Wir laden sie auf Karren, Droschken, Kamele und Maultiere und lassen sie tagelang nach Abadan schleppen, und dort werden sie auf britische Schiffe geladen. Doch nicht mehr lang, und das Naft wird in dicken Rohren über hunderte Kilo meter durch die Wüste, Täler und über Berge bis nach Abadan fließen, sagt der Kanadier und zeichnet mit seinen langen Armen die Berge und Täler nach.
Eskandar weiß, es ist sein Freund der Kanadier höchstpersönlich, der das dicke Rohr zusammensetzt und es wie eine endlos lange und riesige Schlange in den Tälern und auf den Bergen verlegt.
Also stimmen die Gerüchte, dass unsere britischen Freunde dabei sind, die weltgrößte Raffinerie am Golf zu bauen, sagt der Khan und klingt so verärgert, dass Eskandar unwillkürlich einen Schritt zurückweicht.
Der Kanadier leert sein Glas und macht einen tiefen Zug an seiner Zigarre. Mir ist bekannt, sagt er, dass viele Stammesführer und Nationalisten gegen die Briten sind, weil sie die Iraner selber nicht an den großen Gewinnen beteiligen, die sie mit dem persischen Erdöl machen.
So ist es, brummt der Tiger, und wer kann es uns verdenken? Doch das eigentliche Verbrechen ist, die Engelissi unterstützen den König darin, die aufkeimende Demokratie in unserem Land zu verhindern, damit ihnen niemand in die Quere kommt und sie unser Öl weiterhin ungestört abziehen können.
Aber Sie selber gehören zu jenen, die den Engelissi Land verpachtet haben, wundert sich der Kanadier.
Sie wissen besser als ich, dass wir keine Wahl hatten und haben. Unser König hat den Briten die Erdölkonzession für einen derart niedrigen Preis überlassen, dass die Welt sich lustig über ihn und unser Land macht, antwortet der Stammesführer. Wenigstens verpachten wir unsere Ländereien offiziell und bekommen ein wenig Geld dafür, statt dass die Engelissi sich auch noch die einfach nehmen und nichts dafür bezahlen.
Während er nach einem neuen Glas greift, kneift der Kanadier die Augen zusammen. Und Sie und die anderen Nationalisten wollen ihren König loswerden und stattdessen ein Parlament und eine Verfassung?
Was die Farangi verhindern wollen, denn solange der König die absolute Macht hat, können sie weiterhin unser Erdöl abschöpfen. Denn wie Sie wissen, ist unser König nichts als eine Marionette der Farangi.
Mesterr-Richard leert sein Glas und sagt, die Sache ist klar. Damit sind Sie und Ihre Freunde zwangsläufig Feinde der Engelissi und Russi.
Wie würden Sie fremde Nationen bezeichnen, die mit ihren Soldaten in Ihr Land kommen, es besetzen und Ihre Reichtümer stehlen?, fragt Palang-Khan.
Offenbar hatte der Kanadier mit einer derart ehrlichen Antwort nicht gerechnet, denn er verschluckt sich beinah an seinem vierten oder fünften Glas scharfem Wasser. Er blickt nervös um sich und lässt den Moteardjem übersetzen, der Khan soll vorsichtig sein, schließlich befinde er sich in der Höhle des Löwen.
Doch statt zu schweigen, sagt Palang-Khan in einem Ton, dass sich Eskandar die Nackenhaare hochstellen: Mein Herr, ein Tiger fürchtet sich nicht vor einem Löwen.
Und dann fällt der Blick des Tigers wieder auf Eskandar, der die ganze Zeit neben ihm und dem Kanadier gestanden und ihnen das Tablett hingehalten hat. Es ist meine Pflicht, für meine eigenen Fehler einzustehen, sagt er. Dieser Junge, ruft der Tiger, und Eskandar zuckt. Dieser Junge und seinesgleichen haben ein Recht darauf. Denn eines ist sicher, wenn wir verhindern wollen, dass die Engelissi und Russi unsere Heimat weiterhin besetzen oder, noch schlimmer, uns zu einer ihrer Kolonien machen, dann bleibt uns gar kein anderer Weg, als gegen die Besatzung und Ausbeutung des Iran zu kämpfen.
Nachdem der Moteardjem für den Kanadier übersetzt hat, runzelt der Farangi die Stirn und sagt, entweder Sie übersetzen falsch, oder ich habe zu viel getrunken, oder der Khan weiß nicht, was er sagt und tut.
Saheb, soll ich das übersetzen?, fragt der Moteardjem.
Nein, antwortet der Kanadier. Natürlich nicht.
Einen Moment herrscht Stille, dann sagt der Stammesführer: Junge, ich werde dich in meinen Haushalt aufnehmen. Statt dass du hier, Palang-Khan macht eine abfällige Geste in die Runde, mitten in der Wüste, für diese gottlosen Farangi den Diener spielst, möchte ich, dass du für mich
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