Eskandar: Roman (German Edition)
arbeitest. Schließlich wollen wir nicht, dass die Farangi am Ende aus dir einen Christen machen. Palang-Khan sieht den Kanadier an und sagt, wie seinerzeit bei euren Kreuzzügen, als ihr Söhne muslimischer Männer ihren Vätern geraubt, sie zu Hunderten und Tausenden vom rechten Weg abgebracht habt und sie euch fortan willenlos zu Diensten gewesen sind, ihre eigenen Brüder und ihr eigenes Volk verraten haben und Sie auf diese Weise von unserem Hab und Gut, von unserem Land und unserer Erde Besitz ergreifen konnten. Nennen Sie mir den Preis für den Jungen, sagt Palang-Khan, legt die Hand auf den funkelnden Knauf seines Dolchs, setzt einen Fuß vor den anderen und sieht den Kanadier herausfordernd an.
Eskandar will protestieren, dass er nichts anderes möchte, als bei seiner Roxana zu bleiben und für sie zu sorgen. Er hat Mühe, aufrecht zu stehen, und das schwere Tablett mit den Gläsern gerät ins Wanken genau in dem Moment, als der Kanadier und der Tiger sich wie zur Besiegelung eines Vertrags die Hand geben und kurz schütteln.
Er ist mein Boy, und Sie können ihn haben, sagt der Kanadier. Doch bitte ich Sie, nicht zu vergessen, ich bin Kanadier und nicht Brite und ehrlich gesagt auch ein wenig stolz darauf.
Palang-Khan nickt und die beiden Männer lachen und legen beide gleichzeitig jeweils eine Hand auf die Schultern von Eskandar.
Sei ohne Sorge, sagt Palang-Khan zu Eskandar. Wer in meinem Dienst steht, steht auch unter meinem Schutz. Du wirst sehen, schon bald wird für dich alles das, wieder macht er eine abfällige Geste in die Runde, nicht mehr sein als eine blasse Erinnerung.
Blicke in die Zukunft, mein Junge, sagt der Kanadier, nimmt dem verdutzten Eskandar das Tablett ab, gibt es dem Moteardjem und schüttelt Eskandar die Hand. Dein Land braucht Menschen wie dich.
Wie Sie befehlen, antwortet Eskandar höflich und hat keine Ahnung, dass dies die letzte Begegnung und der letzte Händedruck mit seinem kanadischen Freund sein wird.
Vier Tage später klopfen zwei Reiter Palang-Khans an die Tür von Frau-Rohan und wollen nicht nur Eskandar, sondern auch die kleine Roxana mitnehmen. Der kleine Lederbeutel, den die Reiter als Auslösesumme dabeihaben, ist so prall mit Geld gefüllt, dass die beiden Frauen nicht einmal fragen, wohin Roxana und Eskandar gebracht werden. Sie machen wortlos ihre Fingerabdrücke unter das Dokument, mit dem sie besiegeln, dass sie in Zukunft keinerlei Ansprüche an Palang-Khan stellen werden.
Eskandar bedankt sich bei Frau-Rohan und Tajelmoluk, küsst beiden die Hand und verschwindet für immer aus ihrem Leben.
Eskandar und Roxana reisen nach Teheran
Allen voran und mit großem Vorsprung reiten Palang-Khan, seine Berater, treuesten Reiter und besten Kämpfer samt Dienern und Köchen. Sie haben Zelte, Lebensmittel und andere Ausrüstung dabei. Sie sichern den Weg gegen Banditen und Wegelagerer, bauen das Lager auf, kümmern sich um das Essen und bereiten alles vor, damit die Frauen, Töchter und Söhne des Stammesführers und deren Ammen, Eunuchen, Bediensteten, der Mullah und der französische Monsieur, der die Kinder auch unterwegs unterrichtet, Eskandar und Roxana und wer sonst noch dabei ist, es bequem haben, wenn sie den nächtlichen Lagerplatz erreichen. Eine Karawanserei, und wäre sie noch so sicher, kommt für Palang-Khan und seine Familie nicht in Frage. Die Zimmer sind klein, schmutzig, primitiv und das Essen schlecht. Fremde könnten seine Frauen und Töchter beäugen oder sich an seinem mitgebrachten Hab und Gut bereichern wollen; Ärger, Zank und im schlimmsten Fall Kampf und Totschlag wären das Ergebnis.
Die Stimmung der Reisenden ist ausgelassen und unbekümmert. Musikanten tragen Lieder vor, Tänzer und Darsteller führen kleine Stücke auf und unterhalten die Gesellschaft. Dann und wann erzählt Eskandar Märchen, rezitiert aus dem Koran, singt mit den Musikanten und erfreut damit besonders die Herzen der Frauen des Palang-Khan.
Sie mögen ihn so sehr, dass sie ihn in den höchsten Tönen loben und ihm kleine und große Geschenke machen. Besonders über die neue Hose und das neue Hemd freut Eskandar sich, denn inzwischen sind seine Arme und Beine so lang, dass er sich in seinen viel zu kurzen alten Kleidern lächerlich vorkam.
Ebenfalls neu ist für Eskandar, dass er sein Haar kurz scheren muss, damit sich keine Läuse darin einnisten, und er muss darauf achten, dass seine Hände sauber sind, sogar das Schwarze unter den Fingernägeln muss er
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