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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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nur den Frauen vorbehalten ist, dem Harram, dem Verborgenen, dem Verbotenen, ein Bereich, der einen großen Teil des Parks einnimmt.
    Palang-Khan macht niemals Überraschungsbesuche, sondern lässt sich stets bei den Frauen ankündigen, damit sie Gelegenheit haben, sich selbst, ihre Kinder und ihr Haus in ordentlichem Zustand zu präsentieren.
    In der Reihenfolge ihres Rangs und Alters leben mindestens fünf seiner Hauptfrauen ständig, manchmal aber auch die eine oder andere Nebenfrau auf dem Besitz des Palang-Khan, und je nachdem, wohin und für wie lange er verreist, verfügt er, welcher Teil seiner Familie ihn begleiten soll.
    Aus den täglichen Angelegenheiten des Lebens seiner Frauen und Kinder hält der Khan sich heraus. Jede Frau bestimmt über ihren Haushalt, die Gesellschafterinnen, Ammen, Zofen und Eunuchen.
    Sogar für die Erziehung der Kinder sind die Frauen zuständig, lediglich die älteren Söhne unterstehen der direkten Aufsicht und täglichen Kontrolle des Khan. Die Größeren bestellt er mittags in den großen Speiseraum, damit seine Gäste sie kennenlernen und die Söhne frühzeitig den richtigen Umgang mit Männern von Rang und Namen, mit Geschäftsfreunden, Bittstellern und der Gesellschaft lernen.
    Außerdem haben sich sämtliche seiner zahlreichen Söhne täglich und pünktlich um fünf Uhr nachmittags gewaschen und gekämmt, ordentlich gekleidet und mit ihren Schreibheften bei ihm zu melden.
    Die Jungen rechtzeitig an ihren Besuch bei ihrem Vater zu erinnern, die Kragen der Kleineren zu richten, eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht zu streichen, die Schulzettel und Stifte ordentlich zu präsentieren, sie in Reih und Glied und mit sauberen Schuhen vor der Tür des Arbeitszimmers aufzustellen und schließlich zu ihrem Vater vorzulassen war bislang Aufgabe von Agha-Mobasher. Seit Eskandar in seinem Dienst steht, überträgt er diese Aufgabe immer häufiger ihm.
    Du hast ein Gespür für Menschen, sagt Agha-Mobasher zu seinem neuen Gehilfen. Je früher du dir dieser Stärke bewusst wirst, desto besser für dich und auch für mich. Wer seine Talente kennt, kann sie ausbauen, willentlich einsetzen und größten Nutzen daraus ziehen. Agha-Mobasher tätschelt Eskandars Kopf und lacht, weil er dem Jungen ansieht, dass er nicht weiß, wovon der Alte spricht. Merke dir einfach, was ich dir sage, der Tag wird kommen, an dem meine Worte einen Sinn für dich ergeben. Und merke dir auch dieses, nutze dein Talent stets im Guten, denn jede Tat, die du willentlich und mit Absicht zum Nachteil eines anderen begehst, wird sich umso stärker gegen dich selbst richten.
    Was immer Sie sagen, ich werde daran denken und es mir vorsichtshalber auch aufschreiben, antwortet Eskandar pflichtbewusst und auch ein wenig stolz. Schließlich gibt es nur wenige, die lesen und schreiben können.
    Den Grund, weshalb der alte Verwalter ihm diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen hat, versteht Eskandar sofort. Es dauert nämlich über eine Stunde, bis er in den vielen Frauenhäusern die Söhne des Tigers gefunden hat und sie ins Haupthaus zu ihrem Vater bringen kann.
    Außer ihrem strengen Vater scheinen weder die Großen noch die Kleinen irgendjemandem zu gehorchen. Und deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, bis eines Nachmittags geschieht, wovor der Verwalter Eskandar stets gewarnt hat. Er schafft es nicht rechtzeitig, die Söhne ordentlich aufzustellen. Jeder macht, was er will. Sie hüpfen herum, setzen sich auf den Boden, ziehen ihre Schuhe aus, weil sie angeblich drücken. Einer der Kleinen muss pinkeln, zwei der Größeren raufen miteinander, als sich plötzlich die Tür öffnet und Palang-Khan erscheint und so lange schweigend stehen bleibt, bis seine Söhne ihn einer nach dem anderen entdecken, verstummen und sich auf der Stelle stocksteif in eine Reihe stellen.
    Wo ist Agha-Mobasher?, fragt Palang-Khan in die Stille hinein.
    Agha, mit Verlaub, Agha-Mobasher ist bei seiner Arbeit.
    Bei seiner Arbeit, wiederholt der Tiger. Und was tust du hier?
    Agha, mit Verlaub, ich tue meine Arbeit.
    Deine Arbeit, wiederholt der Tiger und klingt beinah wie die echten Tiger im Käfig. Und was genau, denkst du, ist deine Arbeit?
    Agha, mit Verlaub, antwortet Eskandar mit zitternder Stimme. Meine Aufgabe, Saheb, ist es, sicherzustellen, dass die verehrten jungen Saheb auf den Besuch bei ihrem verehrten Herrn Vater vorbereitet sind und sich darauf freuen.
    Der Tiger verlagert sein Gewicht von einem Bein aufs andere, nimmt die

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