Eskandar: Roman (German Edition)

gefalteten Hände vom Rücken, legt sie auf den Bauch und nickt vor sich hin. Sich auf den Besuch bei ihrem Vater freuen. Gut, gut, sagt er, sie sollen eintreten. Dann brummt er, dass meine Söhne sich auf den Besuch bei ihrem Vater freuen, ist in der Tat eine interessante Perspektive. Etwas, das ich so noch nicht betrachtet habe. Noch immer die Hände auf dem Bauch, geht Palang-Khan zu einem seiner jüngeren Söhne und beugt sich zu ihm hinab. Alle halten die Luft an, als er den Jungen vom Boden hebt, ihn freundlich schüttelt und fragt, nun wie ist es, freut mein Sohn sich auf den Besuch bei seinem Vater?
    Den Finger im Mund, starrt der Kleine seinen Vater an, weint beinah, streckt die Arme aus und will zu seinem großen Bruder.
    Nach der Prozedur bei ihrem Vater bringt Eskandar die Jüngeren zu ihren Müttern zurück, eilt in das kleine Gebetshaus hinter den Räumen, in denen der tägliche Unterricht stattfindet, breitet die Gebetsteppiche aus, legt auf jeden Teppich einen Gebetsstein, der aus Ton aus dem heiligen Mekka gefertigt wurde; Eskandar füllt draußen am kleinen Springbrunnen die Aftabeh, die Wasserkannen, auf und legt frische Tücher bereit, damit Palang-Khan, seine Söhne und wer immer ihn zum Gebet begleiten wird die rituelle Waschung vornehmen können.
    Nachdem er alle Gebetsteppiche und Steine wieder eingesammelt und verstaut hat, muss Eskandar zum Postamt und nachsehen, ob jemand wichtige Briefe oder Depeschen für seinen Herrn hinterlegt hat. Denn seit es dieses neue Amt gibt, machen viele es sich leicht und lassen ihre Botschaften und Mitteilungen nicht mehr durch ihre persönlichen Boten in der ganzen Stadt verteilen, sondern hinterlegen sie allesamt beim Amt, was nicht selten zu Verzögerungen und Irrtümern führt.
    Eskandar genießt seine Ausflüge in die Welt außerhalb des Anwesens, besonders die in den Basar, wohin der Verwalter ihn immer häufiger schickt, um für die Frauen des Tigers einzukaufen. Weil er nämlich jung und unschuldig ist, eignet er sich vorzüglich dafür, die Toilettenartikel für die Frauen auszusuchen, sie zu begutachten, in aller Öffentlichkeit hin und her zu drehen, mit seinen Fingern zu berühren und ihre Qualität zu prüfen; eine Aufgabe, mit der man unmöglich einen erwachsenen Mann beauftragen könnte. Von einem einfachen Jungen wie Eskandar dagegen denkt niemand schlecht, und so stellt er keine Gefahr dar für den Ruf der Frauen und damit das Ansehen des großen Stammesführers.
    Eskandar begreift schnell den Unterschied zwischen den Düften, Ölen, Essenzen, Kräutern, Seifen und Salben, die die Frauen brauchen. Er lernt den Unterschied zwischen schlechtem und reißfestem Zwirn, weiß, welches Henna sich am besten zum Färben der Haare, Hände und Füße eignet und welche Duftmischung die bevorzugte der jeweiligen Damen im Haus des Khan ist. Er kennt den Unterschied zwischen sauberer, weicher, wei ßer, saugfähiger und schlechter Baumwolle. Und schon bald beauftragen die Frauen ihn sogar, die Stoffe zu besorgen, aus denen sie für sich und ihre Töchter Unterröcke, Hemden und andere Unterkleidung anfertigen lassen.
    Eines Tages schickt die älteste aller Frauen des Tigers Eskandar zum Schneider, um ihr einen Rock nähen zu lassen. Damit er nichts falsch macht, fertigt Eskandar nach ihrer Beschreibung eine Zeichnung an. Seine Herrin, aber vor allem der Schneider ist begeistert.
    Auf diese Weise muss ich meine Arbeit nicht zehnmal verändern, sagt er und gibt Eskandar ein ordentliches Trinkgeld.
    Nun wollen alle Frauen Zeichnungen von ihren Kleidern, Jacken und sogar ihrer Unterwäsche sehen, bevor sie sie in Auftrag geben.
    Ermutigt von seinem Erfolg, bringt Eskandar ungefragt Haarspangen, Schleifen, Rosenpulver und andere Dinge aus dem Basar für die Töchter und Frauen seines Herrn mit. Die älteren lieben ihn dafür, herzen ihn, geben ihm Extratrinkgelder und schenken ihm die abgetragenen Kleider ihrer Söhne. Die jüngeren dürfen ihn freilich nicht berühren, loben ihn aber und reden beim Verwalter in den höchsten Tönen von ihm.
    Alles, was die Frauen glücklich macht, macht auch mich glücklich, sagt Agha-Mobasher und behandelt Eskandar bevorzugt.
    So wird Eskandar sein einziger Gehilfe, der ohne vorherige Abspra che mit Agha-Mobasher den Harram betreten darf. Er kann jederzeit seine geliebte Roxana besuchen und mit ihr spielen. Und das Beste ist, Eskandar ist beinah der einzige Dienstjunge, der statt zu Fuß mit dem Esel in die Stadt und in den