Eskandar: Roman (German Edition)
niemand es bemerkt.
Agha-Mobasher und Hodjat sitzen auf einem Teppich, trinken Tee aus dem Samowar und essen frische Datteln. Es ist keine Droschke, erklärt der Verwalter wissend. Es ist ein Automobil. Und es bewegt sich, weil es Naft trinkt. Agha-Mobasher sagt, der verehrte Saheb hat dieses neuste Wunderwerk der Technik bei seinem Aufenthalt in Farangestan erworben. Und hinter vorgehaltener Hand sagt der Verwalter, ich wünschte, er hätte es nicht getan. Denn eines ist sicher, es wird nicht ausbleiben, dass unser verehrter Herr nun überall in der Stadt Nachahmer finden wird. Weil aber die meisten Leute nicht wie der verehrte Khan über ein großes Anwesen verfügen, um mit diesem lauten Spielzeug darin herumzufahren, werden sie es wohl oder übel auf den Straßen der Stadt tun müssen. Agha-Mobasher seufzt, als er prophezeit, in weniger als einem Augenschlag werden unsere schönen neuen Straßen voll sein von diesen selbst fahrenden, stinkenden und lauten Droschken. Sie werden die Luft verpesten, die Ruhe stören und schließlich und endlich Pferde, Esel und Maultiere überflüssig machen und verdrängen. Und das alles nur, weil wir uns mit den Farangi gleichstellen wollen. Die größte Sorge Agha-Mobashers aber ist, dass der Saheb nicht bescheiden mit seinem neuen Spielzeug umgeht, es jedem zeigen und so den Neid und die Missgunst der Leute auf sich und die Bewohner seines Hauses ziehen wird. Menschen, die Not leiden, sagt Agha-Mobasher, denken nicht vernünftig. Allah bewahre, der böse Blick könnte den Saheb und seine Familie und auch uns, die wir unter seinem Dach leben und sein Brot essen, treffen. Die Leute könnten Flüche auf dieses Haus und seine Bewohner aussprechen. Besonders seit dieser schreckliche große Krieg ausgebrochen ist, sagt der Verwalter, laufen die Geschäfte schlecht, und die Leute haben kein Geld. Ist es nicht so?, fragt der Verwalter und sieht Eskandar an.
Saheb, es ist, wie Sie sagen. Viele Geschäfte und Handwerksbetriebe mussten bereits schließen.
Auf dem Weg hierher habe ich es selbst erlebt, sagt Hodjat. Die gro ßen Straßen und Pässe sind zu keiner Zeit dermaßen unsicher gewesen, nicht einmal damals, als wir für die Verfassung gekämpft haben. Händler und Reisende müssen um ihr Leben fürchten. Wer sich nicht einer Karawane mit bewaffneten Reitern anschließen kann, wird überfallen und ausgeraubt. Nicht einmal in Karawansereien kann man sich seines Lebens sicher sein. Die Wegelagerer und Gauner haben sie unter sich aufgeteilt, plündern und berauben Reisende, und sie nehmen sogar Geiseln und töten sie.
Saheb, das verstehe ich nicht, sagt Eskandar, der sich seit Neuestem traut, das Wort zu ergreifen, auch wenn keiner ihn anspricht oder ihm eine Frage stellt. Bei diesem Krieg der Farangi geht es nicht um den Iran, und unser Parlament hat unsere Neutralität erklärt, warum haben die Russi und Engelissi dennoch mehr Soldaten in unser Land geschickt.
Das ist eine kluge Frage, lobt der alte Verwalter. Russi und Engelissi haben sich in dieser Frage verbündet, obwohl sie ja eigentlich verfeindet sind. Sie ignorieren unser Parlament und die Eigenständigkeit unserer Heimat. Sie haben den Iran in Nord und Süd halbiert und unter sich aufgeteilt und lassen mehr und mehr Truppen aufmarschieren.
Aber warum tun sie das?, fragt Eskandar, der noch immer nicht versteht.
Sie tun es, um zu verhindern, dass die Almani, die in diesem großen Krieg ihr Feind sind, den Iran besetzen; dann wäre es nämlich vorbei mit den guten Geschäften und der Vormachtstellung der Engelissi und Russi in diesem Teil der Welt, klärt Agha-Mobasher seine Zuhörer auf.
Wir müssen aufhören, so zu tun, als wären die anderen schuld, sagt Hodjat. Schließlich ist es unser eigener König, der den Farangi und ihren Truppen Tür und Tor geöffnet hat, in unser Land zu kommen und ihre Kriege auf unserem Boden auszufechten.
Natürlich sind wir, das einfache Volk, machtlos gegen unseren König, sagt Agha-Mobasher. Die Einzigen, die sich gegen ihn durchsetzen und unser Land vor den Klauen der Ausländer retten können, sind Einflussreiche und Abgeordnete des Parlaments, Leute wie unser Arbab, flüstert der Verwalter. Er sieht Eskandar an und verhält sich auf eine Art, wie er es noch nie getan hat, er legt ihm den Arm auf die Schulter und tut verschwörerisch. Erzähl uns ein paar Neuigkeiten, die du im Büro des Saheb mitbekommst, wenn du seine Söhne zu ihm bringst.
Saheb, Sie müssen mir glauben, ich
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