Eskandar: Roman (German Edition)
sieht er auf.
Also gut, sagt Agha-Nossrat. Komm morgen Abend in mein Haus, den Rest überlasse mir. Es wird zu deinem Besten sein, und du wirst es nicht bereuen.
Zufrieden mit sich und dem, was sie erreicht haben, gehen die Männer zurück an ihre Arbeit. Der Mullah schüttelt die Hand von Nossrat-Agha, als hätten sie ein Geschäft besiegelt.
Während Eskandar sich in der Moschee der rituellen Waschung für das Abendgebet unterzieht, Wasser über seine Ellbogen laufen lässt, sich hinter den Ohren, sein Gesicht und die Füße mit Wasser spült, hofft er, dass das Mädchen, das sie ihm geben werden, wenigstens ansehnlich ist.
Um nicht mit leeren Händen in das Haus eines Freundes zu gehen, erst recht nicht, wenn es um eine Vermählung geht, kauft Eskandar-Agha unterwegs eine Schale gebackenen Honig, Pistazien, saftige Datteln und eine Schleife für das Haar der Braut. Seiner Braut. Die Tür zum Haus des freundlichen Agha-Nossrat steht offen. Unter den vielen Schuhen davor erkennt Eskandar-Agha die Giweh des Mullah, die Schlappen des Messingschmieds, des Fleischers und des Teehausbesitzers.
Die Männer umarmen und küssen den glücklichen Bräutigam, wie sie ihn nennen, schieben ihn zum Ehrenplatz, der am weitesten vom Eingang entfernt ist, setzen sich wieder auf die Kissen und Polster entlang den Wänden nieder und trinken ihren Tee.
Wie sich herausstellt, ist der Gastgeber auch der Vater der Braut. Der freundliche Agha-Nossrat räuspert sich und begrüßt Eskandar-Agha als seinen zukünftigen Schwiegersohn und bittet die anwesenden Verwandten und Basari, seinen Schwiegersohn in ihren ehrenwerten Kreis aufzunehmen und ihm das gleiche Vertrauen entgegenzubringen, das er selbst und seine Familie im Basar genießen.
Eskandar starrt schweigend auf seine Füße und entdeckt ein neues Loch in seiner rechten Socke. Bestimmt kann das Mädchen, das sie mir zur Frau geben werden, mit Nadel und Faden umgehen, denkt er und schiebt seinen Zeh noch ein Stück weiter aus dem Loch heraus, damit es sich weitet.
Er unterschreibt das Dokument, mit dem die Regierung seine Ehe offiziell anerkennt. Der freundliche Agha-Nossrat, jetzt sein Schwiegervater, macht einen Fingerabdruck darunter, und der Mullah stellt sicher, dass alle es sehen, wie er mit bedeutungsvoller Geste und in Kinderschrift seinen Namen mühevoll auf das Dokument kratzt, bevor er zur religiösen Trauungszeremonie übergeht.
Die Gäste trinken ein Glas Tee nach dem anderen, reden über dies und das, vereinbaren Geschäfte, essen von den süßen Speisen, spielen mit ihren Gebetsketten, während Agha-Nossrat, der Mullah und der Bräutigam ins Nebenzimmer gehen, wo die Frauen und die Braut auf sie warten. Sobald die drei Männer den Raum betreten, hören die Frauen auf zu sprechen, zu singen, zu klatschen und zu tanzen. Sie ziehen ihre Tücher und Schleier über ihre Gesichter, bedecken ihre Füße und Hände; manche wenden sich ganz ab und hocken sich mit dem Gesicht zur Wand.
Mitleid ist alles, was Eskandar empfindet. Mitleid mit den Frauen, mit der Braut; sogar mit Gott hat er Mitleid, weil der es Tag für Tag mit armseligen Geschöpfen wie dem Mullah, dem Händler und den Männern im anderen Zimmer zu tun hat; aber am allermeisten bemitleidet Eskandar sich selbst.
Während der Mullah den Koranvers für die Trauung spricht, muss Eskandar sich zusammenreißen, ihm nicht ins Wort zu fallen, um ihn zu verbessern. Er spricht das Arabische falsch aus, ganze Passagen aus der Sure fehlen, und der letzte Vers, den er aufsagt, gehört nicht zu einer Trauung, sondern wird beim Begräbnis gesprochen.
Die Frauen trällern hinter vorgehaltener Hand, klatschen, beglückwünschen das Brautpaar. Eine Frau stimmt ein Lied an, eine andere, von der sich herausstellt, dass sie die Brautmutter ist, küsst Eskandar auf die Stirn, nimmt seine Hand, führt sie zum Schleier der Braut und hilft ihm, den Schleier zu lüften.
Eskandar kann das Gesicht seiner Braut nicht erkennen, denn sie senkt sofort scheu den Kopf. Erst als ihre Mutter sie am Kinn fasst und sagt, es ist dein Mann, es ist keine Schande, sieh ihn an, zeig ihm deine funkelnden Mandelaugen und dein schönes Mondgesicht, blickt seine Braut ihn an, und Eskandar wird bleich vor Schreck.
Hat er richtig gehört? Mondgesicht? Mahrokh? Eskandar-Agha kann sich nicht mehr beherrschen, und Tränen schießen ihm in die Augen.
Niemand bemerkt es, dass sie mit dem Finger eine seiner Tränen auffängt und sie vom Finger leckt,
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