Eskandar: Roman (German Edition)
diktieren, bevor ich mein eigenes Leben und das meines Kindes beende.
Je mehr Eskandar auf die Frau einredet, dass es eine Sünde ist, sich selber und erst recht ein Kind zu töten, desto verzweifelter schluchzt sie und desto lauter weint auch ihr Kind.
Dann soll der gütige Gott eben sehen, was mit seinen Geschöpfen geschieht, wenn er sie vergisst und im Stich lässt.
Gott vergisst niemanden, murmelt Eskandar, ohne selber zu glauben, was er sagt.
Als Eskandar am Abend seine Sachen packt und ins Teehaus zurückwill, hockt die Frau noch immer am Straßenrand und weigert sich zu ihrem Mann zurückzukehren. Er weiß sich nicht anders zu helfen, als sie zum Haus des freundlichen Agha-Nossrat zu bringen. Wie erwartet, nimmt er sie auf und gibt sie in die Obhut seiner Frau und Tochter.
Es ist aber wichtig, dass niemand etwas davon erfährt, warnt Nossrat-Agha. Stell dir vor, der Ehemann findet heraus, dass du und ich ihr geholfen haben. Das könnte uns den Kopf kosten.
Sobald ihre Wunden halbwegs verheilt sind, mietet Eskandar-Agha einen Esel und bringt die Frau zurück in ihr Dorf.
Sie kniet mit gesenktem Haupt vor ihrem Vater und versucht, ihm die Hand zu küssen. Der aber zieht seine Hand weg und fährt sie an. Wer ist dieser Mann? Ist er der Grund, warum dein Ehemann dich geschlagen und ausgesetzt hat? Der Alte schlägt sich auf den Kopf und weint und jammert noch mehr als seine Tochter. Was soll ich jetzt nur mit dir und deinem Balg anfangen? Ich werde niemals das Geld, das dein Ehemann für dich gezahlt hat, zusammenbekommen, um dich zurückkaufen zu können. Die Leute werden hinter deinem und meinem Rücken reden und sagen, du bist eine schlechte Frau. Sie werden fragen, wer dieser Fremde ist. Du hast Schande über mein Haus gebracht, zetert der Vater und bemerkt erst jetzt, dass durch sein Herumbrüllen Nachbarn aufmerksam geworden sind und sich neugierig vor seiner Hütte versammelt haben. Weil er sich nicht anders zu helfen weiß, stürzt der verzweifelte Vater sich auf Eskandar-Agha, schreit, er werde es sich nicht gefallen lassen, dass seine Ehre beschädigt wird und schlägt mit Fäusten auf ihn ein.
Das hat man nun davon, denkt Eskandar, als er, geschlagen und erniedrigt, zurück zur Hauptstraße geht. Und dann kommt ihm plötzlich ein Gedanke, der ihn noch betrübter macht. Statt zu ihrem Vater hätte ich sie zu Mahrokh-Khanum bringen sollen. Schließlich wäre das eine gute Ausrede, sie nach all den Jahren aus heiterem Himmel aufzusuchen.
Obwohl das Mädchen abgeliefert ist, schlägt Eskandar trotzdem nicht die Richtung zurück nach Schiras ein, sondern die, in der sich das Anwesen der schönen Frau-Mahrokh befindet.
Wer weiß, murmelt er vor sich hin, vielleicht gehören das Dorf und die Bauern zu ihrem Besitz, und sie ist in der Lage, der armen Frau zu helfen, vielleicht ist es der Plan Allahs, dass er mich in diese Gegend geführt hat, sagt Eskandar zu sich selber und stößt dem Esel den Stock sanft in den Hintern, damit er nicht stehen bleibt.
Ein alter Mann mit gebeugtem Rücken, der Eskandar-Agha an den krummen-Morad erinnert, öffnet das schwere Holztor. Die gnädige Frau ist schon eine Ewigkeit nicht mehr hier gewesen, sagt er und kneift die Augen zusammen, um Eskandar gegen das Licht der Sonne besser sehen zu können. Sie ist in Farangestan und kommt nur hin und wieder vorbei, um nach dem Rechten zu sehen und sich um den Besitz zu kümmern, dann reist sie wieder ab.
Und die kleine Roxana?
Die ist nicht mehr klein, antwortet der Mann mit seinem zahnlosen Mund.
Geht es ihr gut?, fragt Eskandar-Agha, weil ihm nichts Besseres einfällt.
Danke der Nachfrage, sagt der Alte grinsend. Es könnte ihr nicht besser gehen. Und wer sind Sie? Woher kennen Sie meine Arbab und ihre Tochter?
Wann erwartest du deine Herrin zurück?, erkundigt sich Eskandar-Agha.
Wer will das wissen?, fragt der Alte.
Niemand.
Gut, sagt der Alte und schiebt bedächtig das schwere Holztor zu. Dann werde ich der Herrin ausrichten, Niemand ist hier gewesen und hat sich nach ihrem Befinden erkundigt.
Immerhin habe ich es versucht, sagt sich Eskandar und beschließt, einen Brief an die schöne Mahrokh-Khanum und seine geliebte Roxana zu schreiben und ihn bei nächster Gelegenheit hier vorbeizubringen. Ein paar Tage denkt er an den Brief, fängt auch immer wieder an, ihn zu schreiben, nur um ihn dann zu zerreißen. Nach ein paar Tagen und vielen weggeworfenen Briefen bedauert er, teures Papier verschwendet zu
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