Esper unter uns
bist noch besser, als ich ahnte.«
»Ich kann ihn nur eine Weile aufrechthalten. Also werde ich dir eine Spritze geben, ehe ich gehe.«
»Du gehst?«
»Ich muß, Baby. Es ist schon fast Mitternacht. Mama wird sich schon jetzt große Sorgen um mich machen. Ich konnte sie nicht anrufen. Offenbar funktioniert das Fon wieder einmal nicht. Eine Bande Hobs tut seit Wochen ihr Bestes, sich unseres Blockes anzunehmen. Vergangene Woche sprengte sie die Wasserrohre, und wir hatten sechsunddreißig Stunden kein Wasser.«
»Na schön. Im Arzneischrank findest du Sedanol. Gib mir vorsichtshalber eine doppelte Portion, dann müßte ich eigentlich vierundzwanzig Stunden durchschlafen. Das beschleunigt vielleicht die Heilung.«
»Und du wirst zumindest eine Tasse Fleischbrühe trinken. Du brauchst etwas in deinem Magen.«
Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, ihr zu widersprechen, schon gar nicht in seinem gegenwärtigen Zustand.
»Na, fühlst du dich ein wenig besser?« fragte sie eine Viertelstunde später.
Er räkelte sich genußvoll und lächelte zu ihr hoch. »Ich werde es überleben. Was ist eigentlich mit Mrs. Tarrant?«
»Sicher und wohlauf in ihrem eigenen kleinen Nest. Sie wachte um neun Uhr noch völlig verschlafen auf. Peter meinte, sie sei okay, also brachte ich sie heim. Mann, du solltest ihre Wohnung sehen! So was von Luxus!«
»Keine Erinnerung? Kein Psibewußtsein?«
Flower schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich sagte ihr, sie habe überempfindlich reagiert, und sie schluckte die Geschichte, obgleich sie sie viel lieber von ihrem gutaussehenden Anglodoktor gehört hätte, statt von einer ›von diesen‹! Ich sagte ihr, wir würden einen neuen Termin vereinbaren. Das ist dir doch recht?«
Victor runzelte die Stirn. »Ich möchte diese Pandorabüchse lieber kein zweitesmal öffnen.«
»Natürlich nicht in deinem jetzigen Zustand. Eine einfache Geist-zu-Geist-Therapie wäre meines Erachtens bei ihr verkehrt. Wenn wir jedoch eine Tripelverbindung versuchten, könnten wir sie wirklich öffnen – ja sie vielleicht sogar in den Verband bringen und ihr ein völlig neues, zufriedenes und erfülltes Leben geben.«
»Hast du mit Peter darüber gesprochen?«
»Natürlich nicht. Er hält mich für ein ganz winziges, unbedeutendes Rädchen. Aber auf dich würde er hören.«
Victor schaute in das dunkle, sanfte Gesicht. Flowers Großzügigkeit, ihr absoluter Mangel an Bosheit, überraschte ihn immer wieder aufs neue. Selbst den unvernünftigsten Vorurteilen, ja dem ärgsten Haß gegenüber, war sie bereit, sich zu stellen und die andere Wange zu bieten. Mehr als jeder andere, den er kannte, kam sie Becky Schofields idealisierter Vorstellung des absoluten Psimenschen nahe in ihrer wissenden, alles verzeihenden, mitfühlenden, alle einschließenden Liebe.
Er hörte das Echo fernen Psilärms. Flower ermüdete, ihr Schild wurde schwächer. »Gib mir jetzt lieber die Spritze«, bat er.
Danach saß sie noch eine lange Weile neben ihm. Und als er durch die sich verdichtende rosa Wolke der drogenvermittelten Euphorie blickte, erschien sie ihm als das Schönste, das er je gesehen hatte. Im letzten Augenblick, ehe er über den Rand des Schlafes glitt, beugte sie sich über ihn und küßte ihn.
Der Schrei mußte ihn schon länger in seinem Traum gequält haben, doch jetzt, als der Schlaf abfiel, blieb er in seinem schrecklichen Drängen. Victor war nicht mehr als ein winziges Bewußtseinspünktchen, fast erdrückt von der weichen Watte der Droge, die auch seinen Blick verzerrte und sein Schlafzimmer in alle Richtungen dehnte.
Psionische Musik erklang aus den verborgenen Lautsprechern, eingeschaltet durch die Vibrationen seines erwachenden Geistes. Aber der Schrei blieb auch im wachen Zustand. Es gab keine Möglichkeit, dem Schmerz und Terror dieses Lautes zu entgehen. Laut?
Es war kein Laut! Er hörte ihn in seinem Geist, und er hatte nur deshalb seine Benommenheit durchdrungen, weil der Geist, der ihn ausstieß, völlig auf seinen abgestimmt war.
Einen solchen Geist gab es nur einmal im ganzen Universum.
Victor schwang die Beine über den Bettrand, aber als er aufzustehen versuchte, gaben sie nach, und er stürzte mit dem Gesicht voraus auf den dicken Teppich.
Er konnte die betäubende Wirkung des Sedativs nur durch seine Psikräfte aufheben oder zumindest schwächen. Als er über den Schrei hinweg in Flowers Geist lauschte, hörte er fernes, ratterndes Dröhnen, da wußte er, wo sie war, genau wie die Art der
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