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Esper unter uns

Esper unter uns

Titel: Esper unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Morgan
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die Augen schließen und von hundert rückwärts zählen.«
    »Hundert, neunundneunzig – achtundneunzig – siebenundneunzig …«
    Victor stieg ein Hauch ihres teuren Parfüms in die Nase, als er sich ein wenig über sie beugte, nachdem sie nun lang ausgestreckt auf dem Liegesessel ruhte. So viele Frauen mit ihrer Art von sexueller Verklemmung waren wie exquisit lackierte Metallvögel. Sie folgten immer noch ihrem Instinkt, auf Männer anziehend zu wirken und so etwas zu ermuntern, das ihr klarer Verstand sofort indigniert ablehnen würde.
    »… neunundsiebzig – sechs … Tut mir leid – neunzehn … Ich glaube, ich kann nicht …«
    Gleichmäßig atmend begannen die rosig gepuderten Züge jetzt zu schmelzen und sich aus der starren, von der Zeit geschaffenen Maske zu lösen und so eine Spur des Bildes eines einst hübschen Mädchens wiederzugeben.
    Victor legte als erste physische Berührung eine Hand unter ihren linken Arm und hob ihn. Er war völlig schlaff. Die Patientin war bereit.
    Er streckte sich nun auf seinem Liegesessel aus und gab sich dem üblichen Entspannungsdrill hin. Sanft, mit ungemeiner Behutsamkeit projizierte er einen Psiausläufer seines Geistes in die träumende oberste Ebene Natalie Tarrants. Ein Fühler lebenden Bewußtseins war es; biegsam, aber sondierend wanderte er durch die Phantasiewolken zur Grenze ihrer zweiten Ebene. Vorsichtig bewegte er sich tiefer, bis er am Rand der Membranbarriere balancierte, die den Komplex der drei darunterliegenden Ebenen des Geistes beschützte. Die zweite Ebene war ein organischer Computer mit seinen Speicherbänken und logischen Funktionen, die abgeschirmt war von der dritten Ebene mit ihrer vulkanischen Energie. Sie war die treibende Kraft des Geistes, aber auch dazu fähig, zu zerstören, sobald das fragile osmotische Gleichgewicht gebrochen wurde. Und wiederum darunter lag die vierte Ebene, das Verbindungsglied mit dem Muttermeer allen Bewußtseins, wo Zeit und Tod keine Bedeutung hatten und aller Geist eins war.
    Mit der Zuversicht langer Erfahrung verstärkte Victor den Druck. Die Membrane dehnte sich nach innen, hielt einen Augenblick stand, dann öffnete sie sich und gestattete seinem Psiausläufer durch den neugebildeten Sphinkter einzudringen. Doch selbst jetzt befand er sich erst am Anfang seiner Expedition. Sie würde die erste von vielen sein, in denen er die ungeheure Weite von Natalie Tarrants privatem Universum erforschen, ihr wahres Wesen entdecken und ihr Vertrauen gewinnen würde, damit er sie zu einer neuen, glücklicheren Persönlichkeit formen konnte. Er spürte einen ungewöhnlichen Mangel an Kohäsion, die in dieser Tiefe anzutreffen sein müßte, ein Fehlen von Zusammenhalt, als wäre der Geist, der diesen magischen Webstuhl wechselnder Energien bediente, anderswo.
    Die Explosion erfolgte wie als Antwort auf seinen fragenden Gedanken – eine Energieentladung schlug auf ihn ein und zwang den zerbrechlichen Fühler seines Psiausläufers durch die Barriere der zweiten Ebene zurück, stieß ihn aus der obersten aus und schmetterte ihn zurück in seinen eigenen Körper-Geist-Komplex. Doch selbst hier war er nicht sicher. Der Angriff hielt unerbittlich an. Ein heulender Sturm reiner Psikraft war es, der seinen hastig errichteten Schildwall niederriß und tobend in die Zitadelle seines eigenen Geistes einbrach. Betäubt und hilflos lag er im Griff des Psisturms; unfähig, etwas zu tun, mußte er sich wie ein gekentertes, leckes Schiff dahinjagen lassen …
    Doch dann endete der Orkan so plötzlich, wie er gekommen war. Eine sanfte Psianwesenheit hatte ihn vertrieben.
    Rotschopf, da hast du ja ganz schön etwas mitgemacht! Bist du noch heil?
    Ich glaube schon. Was ist mit der Patientin?
    Sie kommt schon wieder in Ordnung. Es war ziemlich anstrengend, eine seit sechsundfünfzig Jahren abgekapselte Psikraft zurückzudrängen, aber ich dämpfte sie, und jetzt schläft die Frau.
    War wirklich dumm von mir. Aber ich hätte nie gedacht, daß sie psilatent sein könnte!
    Ein wenig zu viel Selbstvertrauen, Rotschopf. Mich hast du oft genug davor gewarnt. So, aber jetzt genug!
    Victor kämpfte sich zurück zur Bewußtheit seines physischen Seins und übernahm wieder die Kontrolle über seinen Körper, der bereits begonnen hatte, in der fetalen Lage der Katatonie zu erstarren. Er spürte den festen Griff von Flowers heilenden Händen, als er die Augen öffnete und zu ihr hochblickte.
    »So ist es schon besser, mein Liebling. Vorsichtig –

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