Esper unter uns
mein Schuldbewußtsein, daß ich sie nicht retten konnte, eingestehe. Meinst du das?«
»Ich bemühte mich lediglich, dir zu sagen, wie ich es sehe. Natürlich kann es auch andere Erklärungen geben – es muß sie geben, schon um deines Detektivfreunds Macken wegen. Der Verband kann es sich nicht leisten, daß jemand auch nur vermutet, Psikräfte seien auf diese Weise verwendet worden – oder könnten es werden.«
»Das ist mir klar. Aber was soll ich ihm sagen?«
»Die Wahrheit, soweit du sie kennst«, riet ihm Peter. »Daß du dich nicht an das geringste erinnerst. Alle medizinischen Fakten sind auf deiner Seite.«
»Und du glaubst, das kauft er mir ab?«
»Das wird er wohl müssen. Außerdem würde ohnehin niemand die Wahrheit glauben, selbst wenn du sie sagtest. Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn du im Gerichtssaal gestehst, daß du über solche Kräfte verfügst?«
»Du hast natürlich recht. Aber ich habe das Gefühl, daß Macken nicht der Typ ist, der so leicht aufgibt.«
5.
»Und hier ist sie – die Wahrheitsbringerin – Cassandra Lamarr!« Die Ansage endete mit einem Ton wohlberechneter Hysterie, als die Vorhänge aufgingen. Die Zuschauer im Studio brachen in einen Beifallstaumel aus, der durch das musikalische Thema des Dreißigmannorchesters noch erhöht wurde.
David Evans saß allein in seiner nur von innen durchsichtigen Kabine fünfzehn Meter über den Köpfen der Zuschauer. Nervös schluckte er das lauwarme Wasser aus dem Plastikbecher und wartete auf Sandras Auftritt.
Der Applaus wurde noch stärker, als sie majestätischen Schrittes zur Mitte der Bühne wandelte. Sie war groß und schlank und trug ein weißes Gewand, das ein wenig an das einer antiken Priesterin erinnerte. Ihr dunkelblondes Haar war am Rücken gehalten und fiel weit über die Schultern. Ihre oberste Ebene strahlte eine tiefe Freude über ihre Macht aus.
Neben ihr waren alle anderen Frauen bleiche Imitationen. Als er Asyl vor der Demütigung ihrer Beziehungen suchte, hatte er nur leblose Puppen gefunden, die keinen gefühlsmäßigen oder sexuellen Widerhall in ihm hervorriefen. Sandra zu lieben, war genauso, als wäre man abhängig von einer schrecklichen zerstörenden Droge. Sie brachte Freude und machte Leid daraus. Vor ihr hatte es keine gegeben, und nach ihr würde es keine geben.
Die Kamera fuhr von ihrer Nahaufnahme zurück, und Sandra hob die Arme wie zum Segen, als sie ihren üblichen Eröffnungsspruch sagte: »Willkommen zur Stunde der Wahrheit! Menschen führen ein so interessantes Leben, nicht wahr? Mein heutiger Gast ist jemand, den Sie gewiß alle kennen, den Sie jedoch, wenn dieser Abend vorbei ist, noch viel besser kennen werden. Hier ist er – Sir Colin Granger, Parlamentsmitglied und Oppositionsführer Ihrer Majestät!«
Erneut setzte Applaus ein, als ein hochgewachsener Mann mit leicht strähnigem grauem Haar von rechts auf die Bühne kam. Er zögerte, als betäube ihn der Lärm und das Scheinwerferlicht, dann ging er schwerfällig auf Sandra zu und nahm die ihm hoheitsvoll entgegengestreckte Hand, schien jedoch nicht so recht zu wissen, was er damit tun sollte, bis er sich besann und sich herabbeugte, um sie zu küssen.
Alter Tölpel! Wenn er sich noch einmal so anstellt, wird er es büßen.
Ruhig , mahnte David Evans, als er diesen verärgerten Gedanken aufnahm. Er ist nervös. Er ist diese Art von Zirkus nicht gewöhnt.
Sein Problem. Nimmst du schon etwas auf?
Nur unwichtiges Zeug aus der obersten Ebene. Sieh zu, daß er sich setzt und entspannt.
»Es ist uns allen eine Ehre und Freude, Sie heute abend hierzuhaben, Sir Colin. Alle hier im Studio und zu Hause am Bildschirm warten schon gespannt darauf, etwas aus Ihrem so interessanten Leben zu erfahren und Sie so kennenzulernen, wie Sie wirklich sind. Ich las vor kurzem, daß Sie an einem neuen Buch schreiben, vielleicht …«
Das Priesterinimage wurde durch das eines scheinbar naiven jungen Mädchens abgelöst, das atemlos auf die Perlen der Weisheit zu warten schien, die der hohe Gast sich herablassen mochte, an die Anwesenden zu verteilen. Es war Sandras übliche Routine, den Gast um den Finger zu wickeln, um ihm Lampenfieber und Mißtrauen zu nehmen, und dann um so wirkungsvoller zuzuschlagen.
Nicht daß sie alle ihrer Gäste vernichtete. Manchmal würde ein Abend zu tatsächlich nicht mehr als zu einer normalen, harmlosen Talkshow führen. Doch das war gewöhnlich nur dann der Fall, wenn die Betroffenen etwas so
Weitere Kostenlose Bücher