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Esper unter uns

Esper unter uns

Titel: Esper unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Morgan
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verschlossen. Ohne Psi war er nicht in der Lage, die liebevolle Wärme von Flowers Gedanken zu spüren; das herzerfreuende Gefühl der Macht, wenn sein Geist sich mit dem der anderen Adepten des Inneren Rates vereinte. Er konnte nicht die halbgeträumten Geheimnisse der vierten Ebene mit Becky Schofield teilen; würde nicht fähig sein, die Leiden von Menschen wie Natalie Tarrant zu lindern.
    Wie seine Amnesie mochte auch der Verlust seiner Psifähigkeit lediglich ein zeitweiliger Zustand als Folge der traumatischen Wirkung des Unfalls sein. Aber er mußte der Tatsache ins Auge sehen, daß die Psigabe etwas ungemein Fragiles war, das leicht für immer zerstört werden konnte. Wie oft hatten wohlmeinende Ärzte bei Patienten, die unter Depressionen litten, Methoden angewandt, die das erwachende Psibewußtsein – von dem die Depressionen im Anfangsstadium hervorgerufen werden konnten – völlig vernichteten. Es hatte natürlich keinen Sinn, mit Matt Boyle darüber reden zu wollen, denn für ihn war Psi nichts weiter als Phantasie, aber Peter Moray mußte er so schnell wie möglich hierherbitten. Er war in der Lage, mit Psi sein Gehirn zu erforschen und sich ein genaues Bild der Situation zu machen.
    Durch sein angestrengtes Denken hatte er offenbar seine Benommenheit überwunden. Statt dessen empfand er einen dumpfen, mahlenden Schmerz wie ein Mühlrad mitten in seinem Gehirn. Er schloß die Augen, doch das machte es nur schlimmer, denn nun überwältigte ein scheußliches Gefühl der Übelkeit ihn. Am besten war, sich jetzt die Spritze geben zu lassen.
    Er tastete nach dem Klingelknopf, als die Zimmertür aufschwang. Der Eintretende war Mittvierziger mit einer Fülle kurzer, grauer Löckchen und dem hageren, scharfgeschnittenen Gesicht eines Fanatikers. Er blieb neben dem Bett stehen.
    »Dr. Coleman?«
    »Ja?« Victor blickte hoch in schmale, tiefliegende Augen. Selbst ohne seine Psifähigkeit stieß der Mann ihn ab.
    »Detektivinspektor Macken vom Dezernat R.«
    »Ich habe Sie erwartet. Dr. Boyle sagte, Sie wollten sich über den Unfall mit mir unterhalten. Ich fürchte nur, daß ich Ihnen von keiner Hilfe sein kann, denn ich erinnere mich an überhaupt nichts. Ich nehme an, Sie sind vertraut mit traumatischer Amnesie? Sie ist kein ungewöhnlicher Zustand.«
    »Nicht ungewöhnlich, hm. Manchmal auch recht praktisch.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Victors Abneigung kam durch das Benehmen des Burschen an die Oberfläche.
    »Eine rein allgemeine Feststellung, Doktor. Es kommt eben häufig vor, daß ein Zeuge behauptet, nichts zu wissen, weil er in die Sache nicht hineingezogen werden will.«
    »Was machen Sie dann? Benutzen Sie einen Lügendetektor oder Daumenschrauben?«
    »Dr. Coleman! Da ich weiß, daß Sie unter großem Streß stehen, werde ich Ihre Worte vergessen.«
    »Ich fühle mich nicht sonderlich wohl, und ich kann Ihnen überhaupt nichts über den Unfall erzählen.«
    »Es war kein Unfall, Dr. Coleman. Ich untersuche einen Mordfall.«
    Victor ignorierte seinen brummenden Schädel und richtete sich auf dem Kissen auf. »Mord? Wessen Mord? Was habe ich damit zu tun?«
    »Das kann ich wohl schlecht sagen«, brummte Macken. »Behaupten Sie immer noch, daß Sie sich nicht erinnern können?«
    »Ich behaupte es nicht nur …«
    »Na schön. Aber Sie müssen verstehen, daß bei uns von der Polizei Skepsis gerechtfertigt ist.«
    Victor starrte in die harte Maske des anderen, und es frustrierte ihn, daß der Geist dahinter für ihn in seinem gegenwärtigen Zustand nicht zugängig war. »Wenn Sie mich ein paar Einzelheiten wissen ließen, würde es vielleicht helfen.«
    »Na gut.« Macken ließ sich auf dem Stuhl nieder, auf dem die Schwester gesessen hatte und öffnete seine Aktenmappe. »Kennen Sie diese Person?«
    Victor schaute auf die postkartengroße Fotografie eines blonden Jungen von etwa sechzehn Jahren. Das teigige Gesicht war nur durch seine boshaften Augen bemerkenswert.
    »Nein. Wer ist er?«
    »War«, berichtigte Macken. »Er ist das Mordopfer. Kenneth Thomassen hieß er.«
    »Tut mir leid, das sagt mir gar nichts.«
    »Es würde, wenn Sie bei der Polizei wären«, brummte Macken. »Sein Vater, Arthur Thomassen, ist Zweiter Vorsitzender des Ordnungskomitees des Holborngebiets und leitender Direktor von Modellkleidung Ltd. Man könnte ihn einen Mann von großem Einfluß nennen.«
    »Mit anderen Worten, er übt Druck aus und schreit nach dem Blut des Mörders seines Sohnes?«
    »So ist es, Doktor.

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