Esper unter uns
Himmelschreiendes zu verbergen hatten, daß sie gern für Sandras Schweigen bezahlten oder ihr in ihrer Karriere weiterhalfen. Natürlich durfte es des Publikums wegen nicht zu viele davon geben, denn es kam ja und saß an den Bildschirmen, um atemberaubende Enthüllungen zu hören. Trotzdem erfüllten die, bei denen es – weil Sandra es aus ganz bestimmten Gründen so wollte – zu keinen dramatischen Höhepunkten kam, auch ihren Zweck, denn sie erweckten in jenen zukünftigen Opfern, die es wagten, das Risiko einzugehen, die Hoffnung, daß auch sie mit heiler Haut davonkommen würden.
David konnte Sandras Stolz in das, was sie beide taten, nicht teilen. Er wußte nur zu gut, daß seine eigenen Fähigkeiten, Gedanken und Reaktionen aus der obersten Ebene aufzunehmen, nicht viel mehr als Scharlatanerie war vor einem Publikum mit einem Brett vor dem Hirn, vor Menschen, die absolut keine Ahnung hatten, was tatsächlich vorging, und die überzeugt waren, daß Cassandra Lamarr eine besonders geschickte Interviewerin war, die durch ein wenig Glück und ihr Einfühlvermögen ihren Gästen ungewollte Enthüllungen entlockte. Neben der Art von Arbeit, die Peter Moray und die anderen jeden Tag leisteten, war Davids eine erbärmliche Benutzung seines Talents.
Himmel, Dave! Wenn ich länger mit diesem nichtssagenden Gequatsche weitermache, verlieren wir zwei Millionen Zuschauer. Bist du da droben vielleicht eingeschlafen?
Sie und Granger saßen jetzt, und der Politiker schien völlig entspannt zu sein, als er über sein Buch erzählte.
Davids Psiausläufer drang in den Strom von Grangers Gedanken der obersten Ebene und suchten nach einer Spur von verborgenem Schuldbewußtsein oder Skandal – irgend etwas, das für den Anfang genügen würde.
Dave! So kann es nicht weitergehen! Ich brauche etwas!
Ich habe noch nichts. Schneide ein persönlicheres Thema als sein Buch an.
»… in diesen Zeiten der Instabilität ist Ihr glückliches Familienleben besonders zu bewundern …« Während Sandras Stimme dahinschwang, lauschte und beobachtete David wachsam.
»… wenn ich mich nicht täusche, war Ihre Frau früher eine bekannte Pianistin …«
Ein leichtes Aufstöbern von Assoziationen – Erinnerungsbilder. Eine Frau mit stumpfen Augen, strähnigem grauem Haar und einem Glas in zitternden arthritischen Händen.
Seine Frau ist Alkoholikerin. Und er gibt sich die Schuld daran.
Kann ich nicht verwenden! Sie wären alle auf seiner Seite, würden Mitleid mit ihm empfinden.
Etwas ist mit seinem Sohn – ein Transsexueller, der schon im ersten Jahr aus der Universität flog …
Und wenn schon! Du mußt tiefer bohren!
»In einer Laufbahn wie Ihrer muß es doch zu so manchen Ereignissen gekommen sein, denen Sie sich machtlos gegenübersahen, und die irgendwie Ihr Geschick veränderten …«
Granger legte den grauhaarigen Kopf ein wenig schief. »Ja, ich entsinne mich verschiedener Ereignisse, die in mein Leben einschnitten …«
Etwas Schwarzes wand sich nahe der Oberfläche des Schlammes der obersten Ebene. Der Hecht, der Daves Psiausläufer war, bohrte die spitzen Zähne in das Ektoskelett.
Frag ihn nach dem Hemingford-Wills-Fall.
»Gehörte die Hemingford-Wills-Sache zu diesen Ereignissen?«
Schockwellen des Schreckens brandeten durch Grangers oberste Ebene und stöberten einen ganzen Schwarm von Assoziationen auf. Der Hecht schnappte gierig zu.
Gut gemacht, Mädchen! Genau ins Schwarze getroffen. Es kommt jetzt an die Oberfläche. Hemingford-Wills war die Hauptfigur in dem südafrikanischen Waffenskandal 1985. Granger war damals der Zweite Sekretär des Ministers. Die offizielle Untersuchung wurde schon im Anfangsstadium eingestellt, weil Hemingford-Wills Selbstmord beging. Danach diente er der Regierung als willkommener Sündenbock.
»Meine liebe junge Dame …« Granger griff mit zitternder Hand nach der Wasserkaraffe.
Ich habe es! Es war kein Selbstmord!
»Es besteht doch wohl kaum ein Zweifel, daß die Regierung, deren Angehöriger Sie waren, in arge Bedrängnis gekommen wäre, hätte Hemingford-Wills weitergelebt.« Sandras stilettscharfe Stimme schnitt in Grangers lautlose Qualen.
»Munkelte man damals nicht, daß der Selbstmord dieses wichtigen Zeugen viel zu passend kam, um glaubhaft zu sein?«
Grangers Gesicht war jetzt grau, seine Lippen zitterten, als er die richtigen Worte suchte, um einer Interviewerin zu widersprechen, die so abrupt von einer angenehmen Gesprächspartnerin zur anklagenden Furie
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