Esper unter uns
Zimmer.
David räumte gerade die Reste des Frühstücks auf, als es an der Tür klingelte. Er beeilte sich, sie zu öffnen.
»Hallo, David. Wir haben uns eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
»Victor!« Er starrte auf den lächelnden, rothaarigen Besucher und kämpfte gegen die Angst an, die ihm die Kehle zuzuschnüren drohte. War der lange befürchtete Augenblick gekommen, da er für seinen Verrat an der Verpflichtung bezahlen mußte? Seit vergangenem Mittwoch hatte er fast darauf gewartet. Victor war offenbar als der Geeignetste für die Strafdurchführung ausgewählt worden, denn sie waren nie näher miteinander in Berührung gekommen, jedenfalls nicht über einen Kontakt der obersten Ebene hinaus, doch der hatte David genügt, die elementare, potentielle Kraft zur Vernichtung in ihm zu erkennen. Gegen eine solche Kraft gab es keinen Schutz. Nicht Feigheit, sondern ganz einfach gesunder Menschenverstand veranlaßte ihn deshalb, seinen Schild wegzunehmen und seinen Geist dem anderen auf Gnade und Ungnade zu öffnen.
Seine Anspannung legte sich ein wenig, als der erwartete, vernichtende Psistoß nicht kam. Nichts, nicht einmal die geringste höfliche Berührung der obersten Ebene war zu spüren.
»Nun, hast du vor, mich vor der Tür stehen zu lassen?«
»Nein, nein, natürlich nicht. Komm herein. Setz dich doch. Darf ich dir etwas anbieten? Kaffee, vielleicht? Wir frühstücken gerade …«
»Nein, danke, nichts.« Victor blickte sich um. »Schön habt ihr es hier. Das Fernsehen zahlt offenbar nicht schlecht.«
»Es läßt sich davon leben«, antwortete David lahm, während sein Geist verzweifelt nach einem Hinweis auf das Katz-und-Maus-Spiel suchte, das Victor offenbar mit ihm trieb. »Victor, wegen vergangenem Mittwoch, ich …«
»Wer ist es denn, Liebling?« rief Sandra aus dem Schlafzimmer. Noch ehe er antworten konnte, machte sie ihren großen Auftritt in halbdurchsichtigem Negligé. Afreet glitt hinter ihr her.
Verdammte, eingebildete Hexe! Du wolltest ja nicht auf mich hören!
Wie kannst du es wagen! Wer glaubst du, daß du bist …
Für dein Getue ist es jetzt zu spät. Das ist Victor – Victor Coleman vom Inneren Rat des Verbands.
Die violetten Augen verrieten ein wenig die Angst, die plötzlich nach dem Geist dahinter griff.
Aber ich nehme doch gar nichts von ihm auf. Es ist, als wäre sein Geist überhaupt nicht vorhanden …
Bildest du dir vielleicht ein, ein Amateur wie du wäre fähig, einen Adepten seines Grades zu berühren? Er könnte bis tief in deine Seele sondieren, und du müßtest es dir gefallen lassen. Er kann deinen Körper übernehmen und damit tun, was er will …
»Dr. Coleman – welche Freude, endlich einen echten Supermann kennenzulernen!« Sandra hatte sich schnell erholt und war großartig in ihrer Kühnheit, als sie Victor die Hand entgegenstreckte.
Ohne die geringste Spur von Ärger oder Verlegenheit spielte Victor mit und beugte sich lächelnd über die Hand.
»Wie gütig, Miß Lamarr.«
David beobachtete die beiden verständnislos und verwirrt.
»Weshalb sind Sie gekommen?« fragte er geradeheraus, als die beiden sich nebeneinander auf das Sofa gesetzt hatten.
»Um dich und deine schöne Partnerin um Hilfe bei einem Projekt zu bitten, für das eure Talente genau richtig sind.«
7.
»Schönen Nachmittag, Dr. Moray.« Donleavy befand sich bereits in optimistischer Stimmung, und sein erster Eindruck von diesem Mann mittleren Alters mit dem schütteren grauen Haar und dem nüchternen Anzug sagte ihm, daß er alles andere denn ein Scharlatan war, als den Bandry ihn hatte hinstellen wollen. Tatsächlich kam er Donleavys Vorstellung eines guten Arztes bedeutend näher als der aufgeblasene Bandry.
Er nickte Galbraith zu. »Charles – schön, daß Sie sich die Zeit nehmen konnten. Möchten Sie beide sich nicht setzen? Darf ich Ihnen einen Drink anbieten?«
»Für mich ist es dazu noch ein wenig zu früh am Tag«, lehnte Moray ab.
Donleavy trat an die Bar in der Ecke, während seine Gäste es sich in den alten, schon etwas mitgenommenen Ledersesseln bequem machten. Er und Ella waren übereingekommen, daß sie in ihren Privaträumen ihre eigenen Möbel behalten und sich auch sonst nach ihrem Geschmack einrichten wollten. Als der Königin-Elisabeth-Turm erbaut worden war, war eigentlich vorgesehen gewesen, daß der Premierminister aus Sicherheitsgründen in das unterirdische Apartment ziehen sollte, aber Donleavy hatte es durchgesetzt, eines im
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