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Esper unter uns

Esper unter uns

Titel: Esper unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Morgan
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seiner Impotenz. Er hegte wenig Zweifel, daß ihre Einstellung kaum von der der anderen abweichen würde, denn mehr als jeder andere hatte sie von Anfang an dafür gestimmt, Abstand von der Öffentlichkeit zu halten.
    »Gut«, sagte er grimmig. »Ich kenne alle Argumente, habe sie schon Hunderte Male gehört. Aber ich bin immer noch der Ansicht, daß wir uns schließlich doch einmal bewähren müssen. Und wir können nicht ewig auf diesen sicheren, richtigen Augenblick warten. Durch eine solche Verzögerung machen wir das Zaudern nur zur Gewohnheit. Ich sage, die Zeit ist jetzt , aber ich bin in keiner Lage, im Augenblick darauf zu bestehen, also bleibt mir nichts übrig, als mich mit Geringerem zufriedenzugeben. Sechs Immigrantenjungen stecken im Gefängnis, man hat ihnen die ganze Sache im U-Bahnhof angehängt und es soll ihnen deshalb der Prozeß gemacht werden. Aus Gründen, von denen ihr durch Peter gewiß bereits wißt, steht fest, daß sie völlig unschuldig sind, aber Inspektor Macken ist fest entschlossen, sie als Sündenböcke zu benutzen, und er wird vor nichts halt machen, um die nötigen Beweise zu fabrizieren. Wenn nichts unternommen wird, werden diese Jungen hängen. Hätte ich noch meine eigenen Psikräfte, würde ich euch überhaupt nicht damit belästigen, aber so, wie die Dinge aussehen, bleibt mir keine andere Wahl. Würdet ihr, bitte, im Namen der Menschlichkeit, ausnahmsweise eingreifen, um diese jungen Burschen zu retten? Ich ersuche euch nicht, euch offen auf irgendeine Seite zu stellen. Hier ist es ohne weiteres möglich, ohne daß die Öffentlichkeit darauf aufmerksam wird, und ohne Gefahr einer zukünftigen Verpflichtung, helfend einzuschreiten.«
    »Nein, Victor.« Die zerbrechliche Gestalt auf dem Bett sprach zum erstenmal, die dunklen visionären Augen blickten direkt in seine. »Es wäre das dünne Ende eines Keiles für uns, würden wir in dieser Sache eingreifen – der Anfang einer Reihe solcher ›Sonderfälle‹, die uns schließlich offen als dritte Macht in die politische Arena drängen würden. Ich darf es nicht zulassen.«
    »Würdest du das auch sagen, wenn wir 1940 hätten und diese Jungen sechs deiner von den Nazis inhaftierten Mitbrüder wären?« Victor sprang auf die Füße. Er zitterte vor Grimm am ganzen Körper. »Ich habe mich in der Vergangenheit deiner Weisheit gebeugt, Becky, aber diesmal – nein!«
    Die knochigen, scharfgeschnittenen Züge blickten zu ihm hoch. In ihren Augen funkelte kein geringerer Grimm als in seinen. »Glaubst du denn wirklich, ich wäre mir all dieser Dinge nicht bewußt? Glaubst du, ich bin so herzlos, daß ich ganz einfach zusehen kann, ohne Bestürzung, ohne mich zu schämen?«
    »Warum handelst du dann nicht?«
    »Weil ich weiß, daß wir abwarten müssen – eine Weile noch, zumindest. Eine Zeit der Prüfung steht uns bevor. Die Wahrscheinlichkeit deutet darauf hin, daß wir uns schnell einem Knotenpunkt nähern, von dem mehrere Wege ausgehen – einige, die zum Desaster führen, andere jedoch zu einer neueren, vernünftigeren Lage.«
    »Das überzeugt mich nicht. Du mußt mir schon ein klareres Bild geben.«
    »Nein, ich wage es nicht, näher darauf einzugehen. Zu erklären, was ich sehe, würde die Wahrscheinlichkeiten beeinflussen. Ich darf beobachten, aber nicht mich einmischen – das ist einer der Nachteile des Wissens über die vierte Ebene. Im Augenblick kann ich nur sagen, daß du eine wichtige Rolle im bevorstehenden Kampf sein wirst, und es deine Entscheidungen, die du aus freiem Willen treffen wirst, sein werden, die unsere Zukunft zum Guten oder Bösen bestimmen.«
    Er hatte bisher ihre mystische Vagheit akzeptiert, weil er auf Beckys Fähigkeit vertraute, den komplexen Fäden der Kausalität der vierten Ebene zu folgen. Doch nun, ohne seinen Psikontakt mit ihr, war er dazu nicht in der Lage – ja, er zweifelte sogar an ihrer Aufrichtigkeit. Und so kam er zu seiner Entscheidung.
    Er beabsichtigte nicht länger, den Bettler zu spielen. Er würde seinen freien Willen benutzen, von dem Becky so glattzüngig gesprochen hatte, und einen eigenen Weg finden, Cass und seine Mitgefangenen zu befreien. Daß er das nicht allein schaffen konnte, war ihm klar, aber es gab andere, die ihm helfen würden, wenn dabei etwas für sie heraussprang – andere, die durch ihre Handlungen bewiesen hatten, daß sie sich nicht von den frommen Geboten der Verpflichtung einschränken ließen.
    Ohne ein weiteres Wort verließ er das

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