Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
keine Ausnahme, auch wenn sie noch so viel Autorität als Generalin besaß. Chencha weigerte sich rundweg, ihr behilflich zu sein. Sie gehörte ja wohl nicht zur Truppe und mußte daher keine Befehle von ihr entgegennehmen wie all die Männer, die ihr unterstanden.
Schließlich geriet Gertrudis gar in Versuchung, ihre Schwester zu bemühen, doch zu guter Letzt hielt die Vernunft sie zurück. Unter gar keinen Umständen durfte sie Tita und Pedro jetzt unterbrechen, im vielleicht entscheidenden Moment ihres Lebens.
Tita schlenderte im Garten den Weg unter den Obstbäumen entlang, wobei der Apfelsinenduft sich mit dem für ihren Körper charakteristischen Jasmingeruch vermengte. An ihrer Seite schritt Pedro, der mit unendlicher Zärtlichkeit den Arm um sie gelegt hatte.
»Warum haben Sie mir bloß nichts gesagt?«
»Weil ich erst einen Entschluß fassen wollte.«
»Und steht der inzwischen fest?«
»Nein.«
»Was mich angeht, so möchte ich Ihnen, bevor Sie sich entscheiden, nur noch einmal sagen, daß es für mich die äußerste Erfüllung meiner Wünsche bedeutete, würden Sie mir ein Kind schenken, und am liebsten wäre mir, ich könnte mit Ihnen ganz weit fortgehen und ungestört mein Glück genießen.«
»Wir dürfen aber nicht nur an uns denken, Rosaura und Esperanza sind auch noch da, und was würde dann aus ihnen?«
Pedro wußte auch keine Antwort. An sie hatte er bisher am allerwenigsten gedacht, und natürlich wollte er ihnen auf keinen Fall Leid zufügen oder gar darauf verzichten, sein geliebtes Töchterchen zu sehen. Es mußte also eine für alle annehmbare Lösung gefunden werden. Seine Aufgabe war es nun, sich die Angelegenheit erst einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Einer Sache war er sich freilich gewiß: Tita würde die Farm nun nicht mehr mit John Brown verlassen.
Ein Geräusch hinter ihnen schreckte sie plötzlich auf. Jemand folgte ihnen. Blitzschnell ließ Pedro Titas Arm los und riß den Kopf herum, um zu sehen, wer dort sein mochte. Doch er entdeckte nur Pulque, der von Gertrudis' Geschrei in der Küche genug gehabt und sich auf die Suche nach einem ruhigeren Schlafplatz begeben hatte. Um jedoch kein weiteres Risiko einzugehen, beschlossen sie, die Unterhaltung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Im ganzen Haus wimmelte es ja nur so von Leuten, und die Gefahr, belauscht zu werden, war im Augenblick zu groß, um über diese persönlichen Dinge zu reden.
In der Küche gelang es zur gleichen Zeit Gertrudis nicht, den Sergeanten Treviño so anzuleiten, daß ihm der Sirup geriete, wie sie es wünschte, so energisch sie auch ihre Befehle erteilte. Nun bedauerte sie, Treviño diese wichtige Mission anvertraut zu haben, da sie zuvor jedoch bei einer Gruppe von Revolutionären nachgefragt hatte, wer von ihnen wisse, wieviel ein Pfund sei, und er wie aus der Pistole geschossen geantwortet hatte, ein Pfund betrage 460 g und ein Cuartillo einen viertel Liter, war sie davon ausgegangen, er verstünde einiges vom Kochen, doch weit gefehlt.
Tatsächlich war dies das erste Mal, daß bei einem ihrer Befehle versagte. Sie erinnerte sich noch gut an eine Begebenheit, als sie einen Spitzel enttarnen mußte, der sich in die Truppe eingeschlichen hatte.
Eine Soldatin, die eine seiner Geliebten war, hatte von seinen Machenschaften Wind bekommen, woraufhin er sie gnadenlos niedergeschossen hatte, bevor sie ihn hätte verraten können. Auf dem Rückweg von einem Bad im Fluß hatte Gertrudis die sterbende Soldatin gefunden. Doch bevor diese ihren Verletzungen erlag, war es ihr noch gelungen, Gertrudis in Zeichensprache einen Hinweis auf die Identität des Spitzels zu geben. Der Verräter trug zwischen den Beinen ein rotes, spinnenförmiges Muttermal.
Selbstverständlich konnte Gertrudis sich nun nicht daran begeben, alle Männer zu untersuchen, denn abgesehen von der möglichen Fehldeutung hätte der Übeltäter rechtzeitig Wind davon bekommen und wäre geflohen. Daher beauftragte sie Treviño mit dieser Mission.
Leicht war diese Aufgabe auch für ihn nicht. Ihm könnte man noch Schlimmeres unterstellen als die möglichen Verdächtigungen gegen Gertrudis, wenn er begänne, zwischen den Beinen der Männer in der Truppe nachzuforschen. Geduldig wartete Treviño daher ab, bis sie nach Saltillo kamen.
Sobald sie die Stadt betreten hatten, machte er sich auf, alle vorhandenen Bordelle abzuklappern und jede einzelne Dirne dort, mit welcher Methode auch immer, zu erobern. Sein Trumpf war, daß er
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