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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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ihrer heißgeliebten Torrejas käme.
    Die Todesdrohung im Nacken, falls er seine Vorgesetzte mit seinen Kochkünsten enttäuschen sollte, erfüllte Treviño trotz seiner Unerfahrenheit die Mission zu allseitiger Zufriedenheit.
    Alle lobten ihn überschwenglich. Treviño war außer sich vor Stolz. Höchstpersönlich brachte er auf Gertrudis' Geheiß Tita eine Torreja auf ihr Zimmer, damit sie ihm ihre Anerkennung ausspräche. Tita war nicht zum Essen heruntergekommen und hatte den Nachmittag im Bett verbracht. Treviño betrat ihr Schlaf gemach und stellte sein Werk auf ein Tischchen, das Tita benutzte, wenn sie allein und nicht mit den anderen essen wollte. Sie dankte ihm freundlich für seine Aufmerksamkeit, probierte und lobte ihn gebührend, denn das Konfekt war wirklich vorzüglich. Treviño brachte galant sein Bedauern zum Ausdruck, daß Tita sich nicht wohl fühle, denn es wäre ihm eine Freude gewesen, wenn sie ihm einen Tanz bei dem Abschiedsfest für die Generalin Gertrudis im Patio gewährt hätte. Tita versprach ihm, sie würde liebend gerne mit ihm tanzen, falls sie sich aufraffen könnte herunterzukommen. Daraufhin zog Treviño sich rasch zurück, um sogleich der ganzen Truppe stolz zu berichten, was Tita ihm gesagt hatte.
    Sobald der Sergeant fort war, lehnte sich Tita wieder im Bett zurück, verspürte sie doch mit dem geschwollenen Leib, der ihr kaum lange zu sitzen erlaubte, nicht die geringste Lust, sich von dort zu erheben.
    Tita dachte an die vielen Male zurück, da sie Getreide, Bohnen, Kresse oder andere Samen und Körner zum Keimen gebracht hatte, ohne die leiseste Ahnung zu haben, was diese beim Sprießen und bei der radikalen Veränderung ihrer Form eigentlich empfanden. Nun bewunderte sie deren Fähigkeit, ihre Schale zu öffnen und widerstandslos das Wasser eindringen zu lassen, bis sie aufsprangen, um dem Leben Platz zu machen. Wie stolz ließen sie aus ihrem Inneren die erste Wurzelspitze austreten, mit welcher Bescheidenheit gaben sie ihre frühere Gestalt auf, mit welcher Anmut zeigten sie der Welt ihre Blättchen. Tita hätte sich so sehr gewünscht, sie wäre nur ein einfacher Samen, müßte niemandem über das, was in ihrem Inneren vorging, Rechenschaft ablegen und könnte der Welt offen ihren sprießenden Leib zeigen, ohne die Feindseligkeit der Gesellschaft auf sich zu ziehen. Die Samen waren frei von derartigen Problemen und mußten vor allem keine Mutter fürchten noch Angst haben, man könnte sie verurteilen. Nun gut, physisch gesehen hatte Tita auch keine Mutter mehr, doch noch konnte sie sich nicht des Gefühls erwehren, daß jeden Moment eine schwere, von Mama Elena verhängte Strafe aus dem Jenseits über sie hereinbrechen könnte. Diese Empfindung war ihr nur allzu vertraut: Sie rief erneut die Panik in ihr wach, die sie stets übermannt hatte, wenn sie in der Küche die Rezepte nicht wortwörtlich befolgte. Immer geschah dies in der Gewißheit, daß Mama Elena dahinterkommen würde und sie, statt sie für ihre Phantasie zu beglückwünschen, gnadenlos ausschelten würde, weil sie die Regeln nicht einhielt. Gleichwohl konnte sie grundsätzlich der Versuchung nicht widerstehen, die strengen Vorschriften, die ihre Mutter ihr in der Küche ... und im Leben auferlegt hatte, zu durchbrechen.
    Eine ganze Weile lag sie so auf ihrem Bett ausgestreckt, bis sie auf einmal unter ihrem Fenster Pedro aus vollem Halse ein Liebeslied schmettern hörte. Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett und war auch schon am Fenster, um es aufzureißen. Wie konnte es nur geschehen, daß Pedro ein derartiges Risiko einging! Kaum hatte sie ihn erblickt, da wußte sie sogleich warum. Auf eine Meile Entfernung sah man ihm an, daß er völlig betrunken war. An seiner Seite befand sich Juan, der ihn mit der Gitarre begleitete.
    Tita erschrak fürchterlich und hoffte aus tiefstem Herzen, Rosaura möge bereits schlafen, denn wenn nicht, wer weiß was dann geschehen konnte!
    Wutentbrannt erschien plötzlich Mama Elena mitten im Zimmer und rief aus:
    »Na siehst du, was für eine Bescherung du angerichtet hast? Pedro und du, ihr kennt wohl keine Scham. Wenn du vermeiden willst, daß in diesem Haus noch Blut fließt, scher dich endlich dahin, wo du niemandem schaden kannst, bevor es zu spät ist.«
    »Wer hier gehen sollte, sind Sie. Ich habe es satt, daß Sie mich unentwegt heimsuchen. Lassen Sie mich endlich ein für allemal in Frieden!«
    »Das werde ich nicht tun, zumindest nicht, bevor du dich nicht benimmst

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