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Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade

Titel: Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Esquivel
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alle wie Damen behandelte und sie sich wie Königinnen fühlen ließ. So vorbildlich und galant benahm er sich ihnen gegenüber, daß er während des Liebesspiels sogar Verse und Gedichte deklamierte. Ausnahmslos gingen sie ihm ins Netz und erklärten sich am Ende bereit, für die gute Sache der Revolution zu arbeiten.
    So dauerte es nicht einmal drei Tage, bis er mit Hilfe seiner Freundinnen, der Dirnen, den Verräter stellte. Dieser zog sich in Begleitung einer falschen Blondine, die den Namen »die Heisere« trug, in ein Zimmer des Hauses zurück, hinter dessen Tür ihn Treviño bereits erwartete.
    Mit einem Schlag warf Treviño die Tür zu und erledigte den Verräter auf besonders brutale Weise mit bloßen Fäusten. Als der Missetäter bereits tot war, schnitt Treviños ihm mit einem Messer noch die Hoden ab.
    Als Gertrudis wissen wollte, warum er ihn auf derart grausame Art und nicht einfach mit einer Kugel getötet hatte, versetzte er, es habe sich um einen Racheakt gehandelt. Schon vor geraumer Zeit hatte ein Mann mit einem spinnenförmigen Muttermal zwischen den Beinen seiner Mutter und seiner Schwester Gewalt angetan. Letztere hatte es ihm kurz vor ihrem Tod noch gestanden. Auf diese Weise war nun die Ehre seiner Familie wiederhergestellt worden. Es handelte sich um die einzige grausame Tat in Treviños Leben, im übrigen war er der feinste und eleganteste Mensch, selbst beim Töten. Stets erledigte er solche Dinge als ausgesprochener Gentleman. Seit der Überführung des Spitzels lebte Treviño mit dem Ruhm eines notorischen Frauenhelden. Dies war zwar nicht so ganz falsch, doch die Liebe seines Lebens hatte stets Gertrudis gegolten. Viele Jahre lang hatte er sich vergeblich bemüht, sie zu erobern, freilich die Hoffnung nie ganz aufgegeben, bis Gertrudis erneut auf Juan gestoßen war. Da war ihm klar geworden, daß er sie für immer verloren hatte. Fortan diente er ihr ausschließlich zu ihrem persönlichen Schutz, gab ihr Rückendeckung, ohne sich auch nur für eine Sekunde von ihr zu entfernen.
    Wenn er sich auch als einer ihrer besten Soldaten auf dem Schlachtfeld hervorgetan hatte, in der Küche war er absolut nicht zu gebrauchen. Trotz allem brachte Gertrudis es nicht übers Herz, ihn hinauszuschicken, denn Treviño war ausgesprochen sensibel: Sie brauchte ihn nur wegen einer Kleinigkeit zu tadeln, und schon verfiel er für eine ganze Weile dem Alkohol. Folglich blieb ihr nichts anderes übrig, als zu ihrer irrtümlichen Wahl zu stehen und das Bestmögliche daraus zu machen. Gemeinsam lasen sie nun aufmerksam Schritt für Schritt das vorliegende Rezept durch und bemühten sich redlich, es zu interpretieren.
    »Wünscht man einen reineren Sirup, wie man ihn etwa zum Süßen von Likören benötigt, stellt man nach den besagten Arbeitsgängen den Topf oder das Gefäß schräg, läßt den Sirup ruhen und stellt den Topf dann wieder gerade oder löst wahlweise den Sirup durch behutsames Schütteln vom Boden ab.
    Im Rezept wurde nicht erklärt, was der Grad des weichen Ballen war; also forderte Gertrudis den Sergeanten auf, die Antwort in einem großen Kochbuch aufzuspüren, das auf dem Regal stand.
    Treviño bereitete es arge Mühe, die gewünschte Information herauszufinden, denn da er kaum lesen gelernt hatte, verfolgte er schwerfällig mit dem Finger Wort für Wort, womit er Gertrudis' Geduld auf eine harte Probe stellte. Da stand:
    »Man unterscheidet zahlreiche Kochstufen beim Sirup: zur Lippenwärme, zum schwachen Flug, zum starken Flug, zum schwachen Faden, zum starken Faden, zum weichen Ballen, zum festen Ballen ...«
    »Na endlich! Hier haben wir's: zum weichen oder zum festen Ballen kochen, meine Generalin!«
    »Laß mal sehen! Du kannst einen aber auch zur Verzweiflung treiben.«
    Gertrudis las dem Sergeanten die Instruktionen laut und deutlich vor:
    »Um die Probe zu machen, ob der Sirup soweit ist, befeuchtet man den Finger in einem Gefäß mit kaltem Wasser, taucht ihn dann in den Sirup und sogleich wieder in das Wasser. Wenn der Sirup beim Erkalten einen Ballen bildet, die Konsistenz einer weichen oder festen Creme erhält... Hast du verstanden?«
    »Ja, also ich glaube schon, meine Generalin.«
    »Ist auch dein Glück, denn wenn nicht, schwöre ich dir, daß ich dich erschießen lasse!«
    Endlich hatte Gertrudis es geschafft, alle nötigen Informationen zusammenzutragen; nun fehlte nur noch, daß der Sergeant den Sirup fachmännisch herstellte, damit sie schließlich doch noch in den Genuß

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